(wS/dia) Siegen 25.11.2025 |Eine Krebsdiagnose stellt das Leben völlig auf den Kopf. Betroffene benötigen nicht nur die bestmögliche medizinische Behandlung, sondern vielfach auch pflegerische und psychologische Begleitung. Wissenswertes über neueste Therapien sowie Impulse für den persönlichen Umgang mit einer Krebserkrankung boten zwei Patiententage im Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen. In Fachvorträgen sowie im direkten Austausch mit Ärzten und Experten aus Pflege, Psychologie und Sozialarbeit konnten sich die Besucher umfassend informieren.
Insgesamt sind etwa 300 Krebsarten bekannt. Einige davon standen am ersten Tag besonders im Fokus. Über Tumoren im Bauchraum referierte Professor Dr. Mohammad Golriz. Der Ärztliche Direktor der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Diakonie Klinikum veranschaulichte an Fallbeispielen, warum bei Operationen an Speiseröhre, Magen, Leber, Bauchspeicheldrüse, Gallenblase oder Darm besondere Expertise gefragt ist: Diese lebenswichtigen Organe liegen eng beieinander und sind durch ein dichtes Geflecht aus Blutgefäßen, Nerven und Lymphbahnen verbunden. Ein weiterer Vortrag widmete sich Tumoren im Kopf-Hals-Bereich. In der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie werden Hauttumoren wie auch Karzinome der Mundhöhle und der Speicheldrüsen behandelt – und das mit „sehr guten Ergebnissen“, wie Chefarzt Professor Dr. Dr. Jan-Falco Wilbrand berichtete. Bestätigt sich der Krebsverdacht, wird für den Patienten durch Ärzte verschiedener Fachrichtungen ein individuelles Therapiekonzept erstellt: von der OP über Strahlen-/Chemotherapie bis hin zur plastischen Rekonstruktion. Letztere ist dank medizinisch-technischer Fortschritte heute selbst bei größeren Knochen- und Weichteildefekten möglich, die noch vor nicht allzu langer Zeit als inoperabel galten. Bei vielen Patienten kann sogar mithilfe von Implantaten die Kaufunktion wiederhergestellt werden.
„Dschungel“ Alternativmedizin
Menschen, die an Krebs erkrankt sind, fragen sich oft, was sie über die Therapie hinaus selbst tun können, um ihre Lebensqualität zu verbessern und Nebenwirkungen zu lindern. Die sogenannte Komplementärmedizin umfasst Heilmethoden, die häufig ergänzend zur Schulmedizin angewendet werden. Doch was nützt wirklich: Akupunktur, Homöopathie, Yoga, Meditation, spezielle Ernährung? Dass man sich „hier schnell in einem Dschungel verirren“ kann, verdeutlichte Professor Dr. Ralph Naumann. Der Chefarzt der Medizinischen Klinik III (Medizinische Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin) stellte in Zusammenarbeit mit der Onkologin Professor Dr. Jutta Hübner von der Uni-Klinik Jena das Thema vor. Während etwa positive Effekte durch gemäßigten Sport bei Krebspatienten durch Studien belegt sind, sei die Wirksamkeit bei vielen Methoden oder auch Mitteln nicht nachgewiesen oder gegeben, mahnte Naumann. So könne beispielsweise eine Hyperthermie-Behandlung oder auch die Einnahme von hochdosiertem Vitamin C sogar schädlich sein. Sein Rat: Komplementäre Methoden ersetzen keine nachgewiesenen Therapien und sollten daher stets in Absprache mit dem Arzt erfolgen, da es auch Risiken oder unwirksame Verfahren gibt. Im schlimmsten Fall drohten Krebspatienten Opfer teurer Abzocke zu werden.
Professor Naumann war auch einer der Referenten am zweiten Tag. Dieser stand ganz im Zeichen des Multiplen Myeloms. Etliche Zuhörer im „Stilling“-Hörsaal hatten teils weite Anfahrtswege auf sich genommen, um sich über diese vergleichsweise seltene Krebserkrankung von Zellen des Immunsystems zu informieren. Bei dieser führt eine unregulierte Vermehrung von Plasmazellen dazu, dass die normale Blutbildung gehemmt wird. Die Auslöser sind bislang unbekannt, eine Heilung ist bis dato nur bei sehr wenigen Patienten möglich. Betroffene leiden unter Knochenschmerzen, Infektanfälligkeit sowie an Nierenproblemen als Folge großer Mengen von krankhaftem Eiweiß im Körper. Doch gibt es Anlass zur Hoffnung, denn die Behandlung mit CAR-T-Zell-Therapien und bispezifischen Antikörpern machen immense Fortschritte, wie Professor Naumann darlegte. Seit rund 30 Jahren beschäftigt sich auch Professor Dr. Hartmut Goldschmidt (Uni-Klinik Heidelberg) mit dem Multiplen Myelom. Seinen Vortrag widmete er neuesten Therapieansätzen bei einem Rückfall der Erkrankung. Ferner stellte die Siegener Selbsthilfegruppe ihre Arbeit vor.
Abgerundet wurden beide Patiententage durch allerhand Informationen zum Leben und Alltag mit einer Krebserkrankung. Um Betroffene über die medizinische Behandlung bestmöglich versorgen zu können, wurde am „Stilling“ das Konzept „OnkoCare“ entwickelt. Hierbei kümmert sich ein interdisziplinäres Team aus Ärzten, Pflegekräften, Therapeuten und weiteren Experten um eine umfassende Betreuung. Eine Komponente ist dabei die sogenannte Stomatherapie. Sie richtet sich an Patienten, die infolge ihrer Tumorerkrankung zeitweise oder dauerhaft auf einen künstlichen Darm- oder Blasenausgang angewiesen sind. Hier kooperiert das Diakonie Klinikum mit Versorgungsanbietern: Mit der Bernd Ginsberg GmbH (begiCare57) aus Siegen sowie mit dem MCS Medical Center Südwestfalen aus Freudenberg. Beide Unternehmen präsentierten vor Ort ihr Leistungsportfolio. Zudem erläuterte Pflegeexperte Bernd Ginsberg in einem Vortrag, wie ein Stoma funktioniert und auf welchen Ebenen Patienten Unterstützung durch die Stomatherapeuten erfahren.
Onkologische Fachpflege steht Patienten zur Seite
„Gutes für Leib und Seele“ boten die Teams des Onkologischen Therapiezentrums (OTZ) am Diakonie Klinikum an. So informierte die Fachpflege Onkologie zur Hautpflege während einer medikamentösen Tumortherapie oder einer Strahlentherapie sowie zur Vorbeugung von Mukositis, einer Entzündung der Schleimhaut, die häufig als Nebenwirkung einer Chemo- oder Strahlentherapie auftritt. „Wir beraten auch zu Sport und Bewegung bei Krebs, ebenso zu typischen Begleitsymptomen der Erkrankung und Therapie und wie man diese abmildern kann“, so die onkologische Fachpflegekraft Jessica Piccaro. Seit gut einem halben Jahr gibt es auch eine onkologische Ernährungsberatung am „Stilling“. Hier erhalten die Patienten auf Basis einer Analyse des individuellen Ernährungszustands Empfehlungen zur Stärkung des Immunsystems vor und nach der OP. Ernährungsberaterin Karen Muster-Binsack servierte den Besuchern Probierhäppchen mit Linsenbällchen, Erdbeerquark oder Avocadocreme. Ebenso vor Ort war das Team der Psychoonkologie um Sonja Weber und Shirin Hossein-Abbasi, das nicht nur Krebspatienten, sondern auch deren Angehörigen zur Seite steht.
Ein positives Fazit der Patiententage zieht Dr. Martin Klump, Leiter des Interdisziplinären Onkologischen Zentrums (IOZ) am Diakonie Klinikum: „Die Veranstaltung hat widergespiegelt, was unser Ziel ist: unsere onkologischen Patienten bestmöglich zu versorgen. Dazu erweitern wir kontinuierlich unsere Leistungen – nicht nur im medizinischen Bereich, sondern auch darüber hinaus.“ Mit dem Brustzentrum, dem Darmkrebszentrum, dem Gynäkologischen Krebszentrum, dem Leukämie- und Lymphomzentrum sowie dem Prostatakrebszentrum bündelt das IOZ derzeit die Expertise von fünf DKG-zertifizierten Organkrebszentren. Weitere fünf durchlaufen zurzeit entsprechende Zertifizierungen der Deutschen Krebsgesellschaft: das Viszeralonkologische Zentrum, das Pankreaskarzinomzentrum, das Hautkrebszentrum, das Kopf-Hals-Tumor-Zentrum sowie das Neuroonkologische Zentrum.

Zahlreiche Experten aus Medizin, Pflege, Psychologie und Sozialarbeit informierten beim 2. Patiententag für
Krebserkrankte und Angehörige im Hörsaal des Diakonie Klinikums Jung-Stilling in Siegen. Foto: Diakonie in Südwestfalen











