(wS/red) Krefeld/Ferndorf 07.05.2023 | Schwedenkrimis sind doch die Besten
Denn was der Schwedische Krimischreiber Robert Andersson und seine Jungs da gestern auf die Platte gezaubert haben, lässt uns symbolisch Kniefälle tun, denn mehr Spannung und Dramatik in einem Handballspiel gab es in der Drittligasaison für die Ferndorfer noch nicht.
Da sucht man an Superlativen, um diese einzigartige Atmosphäre, an der über 1700 Zuschauer teilnahmen in Worte fassen zu können. Die Ferndorfer sind mit einem Tross von ca. 100-150 Fans angereist, ebenso Trommler der Ferndorfer Füchse und der Fanclub der Brigade C, die den Gästeblock mit Flaggen und Fahnen ausstaffiert haben.
In einem hochklassigen Match, das zum Ende hin immer mehr Spannung bot, hatten die Ferndorfer in der letzten Minute ein Royal Flush auf der Hand und spielten es perfekt aus.
Die favorisierten Adler aus Krefeld hatten zu diesem Zeitpunkt eher TYCHE, die griechische Göttin des Schicksals in ihren Reihen und die Siegerländer glänzten mit Fortuna, der römischen Glücksgöttin.
Wir sahen zwei Teams, die absolut auf Augenhöhe agierten, wir sahen zwei perfekte Abwehrreihen und wir sahen auch tolle Offensivleistungen beider Teams.
Auf der anderen Seite könnte man auch sagen, wenn beide Teams 30 oder mehr Tore erzielen, kann es mit der Abwehrleistung ja nicht so weit her sein, aber da überlassen wir unseren Lesern die Entscheidung selbst, denn es gibt auch hier wie überall im Sport getrennte Meinungen.
Nur, dass es so eine enge Kiste werden sollte, hätte absolut niemand vermutet. Ferndorf hatte den besseren Start, führte schnell 2:0 und die Adler legten direkt nach, also 2:2. Es waren kaum 4 Minuten gespielt, da gab es ROT für Steffen Hahn, der Jörn Persson gefoult hatte. Die einen werden sagen, Jörn wäre in ihn reingelaufen, also Stürmerfoul, die anderen sehen den Arm am Hals von Jörn, der ihn stoppte und zu Fall brachte!!??
Auch wenn wir von einem Spiel auf Augenhöhe schreiben muss man doch sagen, dass Krefeld etliche Fehler/Fehlwürfe hatte. Mark Schmetz hatte seine Jungs ja schon im Vorfeld vor Ferndorf gewarnt und er wusste gewiss, wovon er redet.
Ein Ferndorfer Name wird ihnen noch heute Kopfschmerzen bereiten, nämlich TIM DOMINIK HOTTGENROTH, der Ferndorfer SUPER-Keeper, der auf weltmeisterliche 18 Paraden kam. Darunter, man soll es nicht glauben sind auch 3 gehaltene Siebenmeter, darunter 2 innerhalb von 58 Sekunden (10:24 + 11:22)
Und so etwas frisst sich in einen rein, das tut weh, man will es dann besser machen und auch das klappt dann nicht. So ist es nicht verwunderlich, dass der TuS Ferndorf in der gesamten 1. HZ kein einziges mal in Rückstand geriet. Die Jungs kämpften und rackerten was das Zeug hielt, sie wollten es allen zeigen, sie wollten zeigen, wie es ist, wenn eine Mannschaft über 100 % gibt. Zwei Adler machten es dem TuS besonders schwer, zu einen Mike Schulz und zum anderen Christopher Klasmann, der Ex-Ferndorfer. Zwischen der 20. und der 26. Minute lieferte er sich einen richtigen Schlagabtausch mt Ferndorf, 9:11 Polishchuck, 10:11 Klasmann, 10:12 Polishchuck, 11:12 Klasmann, 11:13 Reimann, 12:13 Klasmann.
Nach dem Spiel hörte ich mir grinsend von einem TuS-Fan folgendes an: „Wäre Crissi Klasmann in Ferndorf geblieben, hätte er heute gewonnen“. 😉
Bester Torschütze auf Ferndorfer Seite war in dieser 1. HZ Rostyslav Polishchuck, der 4 seiner mittlerweile gefürchteten Kracher einnetzte.
Die 2. HZ starteten die Gastgeber besser durch und gingen erstmalig mit 15:14 in Führung, Gabriel Viana glich das aber direkt wieder aus. Bis zur 36. Minute war es ein stetes hin und her, dann kam Ferndorf durch Fabian Hecker und Jörn Persson zum 18:18 und 18:19. Es ging im Wechsel weiter, aber Ferndorf geriet nie in Rückstand. 19:20, 20:21, 21:22, 22:23, 23:24 oder das 24:26 durch Jörn Persson. Danach folgte zu Beginn der Crunchtime ein fragwürdiges Foul von Fabian Hecker, welches ihm zwei Minuten einbrachte. Total unzufrieden mit dieser Entscheidung zeigte sich Coach Andersson und erhielt für seine lautstarke Beschwerde eine Verwarnung.
Aber das Ganze sollte ja noch richtig Fahrt aufnehmen, es ging zwar schon recht turbulent zu, aber das Finale stand ja noch allen bevor und es war wirklich ein Herzschlagfinale. Nach dem 25:27 durch Marvin Mundus markierte die HSG noch das 26:27 und nach 52:59 nahm Robert Andersson seine Auszeit um die verbleibenden 7 Minuten zu besprechen. Als erstes folgte das 27:27 durch Loic Kaysen, bevor Marvin Mundus per Siebenmeter das 27:28 erzielte. Danach zieht Coach Mark Schmetz die Grüne Karte (es sollte noch nicht die Letzte sein) und das folgende 28:28 erzielte, wer sollte es auch anders sein, Christopher Klasmann. Ein kämpferisch gut aufgelegter Fabian Hecker wuchtete das Spielgerät in der 56. Min. zum 28:29 ins Netz und der Thriller begann Fahrt aufzunehmen. Als Robert Krass das 29:29 erzielt und Mike Schulz nach 58:25 das 30:29, geriet die Halle in Wallung, es war für alle klar dass die Krefelder das Ding jetzt nach Hause fahren.
Da hatten sie aber die beiden obengenannten Götter nicht mit einbezogen, denn die hatten die Zügel jetzt in der Hand. Doch noch kurz einige Sekunden zurückgespult, 57:34 Klasmann will den Ball zu Krass werfen, er wirft aber über Krass hinweg und der TuS fängt ihn, stürmt nach vorne, doch Persson kann den Ball nicht an den Mann bringen, Sven Bartmann bekommt ihn und wirft ihn weit nach vorne zu Mike Schulz, der das obengenannte 30:29 erzielt, Krefeld liegt wieder vorne und Robert Andersson nimmt jetzt die Auszeit. Ferndorf, jetzt neu sortiert, nutzt eine Verwirrung in der HSG-Abwehr, stürmt nach vorne und nach 58:59 wuchtet Jörn Persson den Ball zum 30:30 ins linke obere Eck. Jetzt war der Druck im Kessel im roten Bereich und alle Nerven bis zum zerreißen gespannt. Aber da geht sicher noch was ??….na klar und wie.
59:28, Fabian Hecker zieht den Krefelder Dommermuth zu Boden und erhält eine Zeitstrafe, die Spannung ist unerträglich, es sind noch 27 Sekunden auf der Uhr, die Halle steht schon eine ganze Zeit lang, die Ferndorfer klatschen sich die Hände wund und schlagen die Pappklatschen in Einzelstücke. Der Wahnsinn geht weiter, der HSG Rechtsaußen bekommt völlig freistehend den Ball und könnte einnetzen. Könnte, wenn da nicht der Pfiff des Schiris gewesen wäre, er hatte den Linksaußen Nick Braun im Visier und der stand in dem Moment mit dem linken Fuß im Kreis, Chance vertan, Ferndorf hat den Ball, noch 8 Sekunden auf der Uhr. Sie stürmen nach vorne, Jörn Persson hat den Ball, passt ihn nach vorne zu Gabriel Viana, der will werfen…..und wird gefoult, Siebenmeter für Ferndorf. Die 60 Minuten sind natürlich schon rum und der Siebenmeter muss natürlich noch ausgeführt werden.
Marvin Mundus geht mit dem Ball zur Siebenmetermarke (was geht einem da in einer solchen Situation durch den Kopf ??) hämmert das Ding unhaltbar rein und verwandelt den Gästeblock in ein Tollhaus. Marvin erzählte mir einmal, das er beim Siebenmeter nur nach vorne schaue, nicht auf den Torwart und dann einfach werfen würde.
Die Gastgeber standen auf dem Feld, verstanden die Welt nicht mehr, die Köpfe waren schwer, die Muskeln schmerzten und sie realisierten langsam, was für Chancen sie in den letzten 2 Minuten weggeworfen haben.
Wäre das ein Ding, wenn die Ferndorfer in den Play-offs jetzt durchstarten würden und die anderen würden patzen. Wir haben es nicht durchgerechnet, es dürften nur Hypothesen sein, aber wie dem auch sein, die Serie der Wiedergutmachung ist auf einem guten Weg.
Fazit
Wir haben einen unheimlich starken TuS Ferndorf gesehen, angeführt von einem krakenartig wirkenden Tim Hottgenroth im Tor, der die Gegner in Verlegenheit brachte. Es war eine absolut geschlossene Mannschaftsleistung; Fehler steckte man weg und jeder Spieler kämpfte förmlich für den anderen. Wir sahen tolle Zweikämpfe, in denen sich keiner schonte. Rostyslav Polishchuck spielte stark auf und überzeugte mit 7 glanzvollen Toren. Ebenso beeindruckend war Jörn Persson, der in keiner Szene zurücksteckte, sowie Marvin Mundus, der aus dem Feld und vom Siebenmeterpunkt überzeugte. Diese drei erzielten jeweils 7 Tore. Fabian Hecker z.b. erzielte 2 tolle Tore. Das mag wenig erscheinen, aber jene, die nicht so viele Tore erzielen, spielen nicht unbedingt schlechter. Sie ermöglichen den anderen Spielzüge, die nur durch ihre Spielweise möglich geworden sind und somit letztendlich auch zu Toren führen.
Allerdings haben wir uns auch gefragt, warum beispielsweise Marko Karaula keinen Einsatz bekam, während Niklas Diebel spielte, der gestern nicht überzeugen konnte. Wir haben uns jedoch auch für Rene Mihaljevic gefreut, der nach langer Verletzungspause endlich wieder Einsatzzeiten bekommen konnte.
PS-Die Moderatoren von SPORTDEUTSCHLAND sprachen danach übrigens von einem „NICHT UNVERDIENTEN SIEG DER FERNDORFER“.
Übrigens, wer das Spiel gestern gar nicht gesehen hat, man kann es ab heute nochmal kostenlos anschauen unter folgendem Link:
Tor: Tim Hottgenroth 18 (in Worten ACHTZEHN) Paraden, davon 3 gehaltene Siebenmeter
Torschützen:
Marvin Mundus 7/5
Rostyslav Polishchuck und Jörn Persson je 7
Josip Eres 3/1
Gabriel Viana, Alex Reimann und Fabian Hecker je 2
DAS IST FERNDORF – DAS BIST DU
Stimmen zum Spiel:
Rostyslav Polishchuck
(auf die Frage, ob er nach dem „Pferdekuss) in der 2. HZ wieder OK sei)
Es tut ein bisschen weh, aber es ist nichts Ernstes. Für das nächste Spiel werde ich wieder fit sein.
Co-Trainer Jannis Michel
das war gestern ein toller Sieg vor einer super Kulisse für uns. Die Jungs haben 60 Minuten vorne wie hinten geackert und ihre Sache richtig gut gemacht. Tim Hottgenroth hat der Abwehr die nötige Sicherheit gegeben und uns immer wieder im Spiel gehalten. Alles in allem war es ein tolles und hochemotionales Spiel mit dem kleinen bisschen mehr Glück auf unserer Seite.
Tim Hottgenroth
Wir haben von Anfang an gezeigt, dass wir gewinnen wollen und dass wir mit Leidenschaft, Körpersprache und Emotionalität auftreten wollen. Wir haben die meiste Zeit nicht hinten gelegen, haben vielleicht ein, zwei Fehler zuviel gemacht, aber es war heute auch ein Charaktertest für uns. Wir haben bis zur letzten Sekunde an den Sieg geglaubt und den Sieg haben wir uns heute ganz einfach verdient. Wir wollten es vielleicht auch zwei, drei Prozent mehr als Krefeld und haben uns auch von dieser tollen Kulisse aus beiden Fanlagern nicht beeindrucken lassen.
Marvin Mundus
Ich glaube, das war über 60 Minuten unsere beste Teamleistung, da waren Höhen und Tiefen dabei, aber mit dem Kader ohne Kreisläufer, da hat sich jeder in jeden Zweikampf reingeschmissen. Josip ist verletzungsbedingt rausgegangen, Rostyslav hat heute super gespielt, wir hatten einen superstarken Tim Hottgenroth im Tor und dann war es auch möglich, heute hier zu gewinnen.
wirSiegen: kurz vor Schluss haben wir gedacht, das war`s, jetzt haben wir verloren.
Marvin weiter: Das ist es aber, was uns vielleicht heute ausgezeichnet hat, dieses glauben bis zur letzten Sekunde, dann haben wir den Ball, dann pfeifen die 2 Minuten gegen uns, dann kommt das Time-Out, wir kriegen nochmal den Ball, dann der Siebenmeter, da ist dann natürlich auch Glück dabei, das muss man schon sagen.
Bericht: petro
Bilder: Peter Trojak
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