(wS/Red) Kreuztal, 26.10.2025 | Kreuztal wird zur Festung und holt die Adler vom Himmel.
TuS Ferndorf gegen VfL Potsdam 30:23 (14:11)
Der TuS Ferndorf hatte vor dem gestrigen Gegner gehörigen Respekt, allen voran Coach Ceven Klatt.
Kein Wunder, zeigten die Potsdamer doch in der bisherigen Saison einen guten Start mit guten Ergebnissen. Und wir dürfen natürlich auch nicht vergessen, dass Potsdam aus der Beletage des Handballs in die Zweitklassigkeit abgerutscht ist.
Man hatte ja alles erwartet, ein Sieg wäre ein Träumchen gewesen und nun wurde dieser Sieg Wirklichkeit. Und es war nicht nur ein Sieg, die Ferndorfer entzauberten ihren Gast in unserem Hexenkessel.
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, der TuS Ferndorf hatte in dieser Saison noch kein Heimspiel gewonnen und Ceven Klatt klang in der Pressekonferenz optimistischer, als er es unserer Meinung nach tatsächlich war. Er hatte einen Sieg in Aussicht gestellt, wenn alles, aber wirklich alles passen würde. Bei Klatt purzelten tonnenschwere Steine von den Schultern, als die Schlusssirene den königlichen Triumph über Potsdam besiegelte und fast 1300 Heimfans in Ekstase versetzte.
Und mit welchem Team hat Ceven das erreicht, der Name Rumpfteam passt da nicht wirklich, es war dramatischer, denn dem TuS fehlten am gestrigen Abend 6 Feldspieler und 2 Torhüter, denn Can Adanir musste wegen einer Mandelentzündung auch die Segel streichen, die Harzgötter waren uns nicht wohlgesonnen, zumindest nicht am Papier.
Doch was da die Meyer-Sieberts, Fangers, Eres & Co auf die Platte zauberten war aller Ehren wert, sie rissen die Fans ein ums andere Mal von den Sitzen und das über die gesamte Spieldauer hinweg.
Und das „Gäste-Ärgern“ ging ja schon direkt nach dem Anpfiff los, Potsdam hatte Anwurf, konnte aber den ersten Wurf von Linksaußen Fuhrmann nicht verwerten, denn da hatte unser Neuzugang Filip Baransaic im Tor etwas gegen, er wehrte ihn erfolgreich ab. Nun war der TuS an der Reihe, doch Marvin Mundus ließ den Ball links über das Tor segeln. In der nächsten Szene erspielten sich die Gäste einen Siebenmeter, den sie erfolgreich zum 0:1 verwandelten. Dieser Treffer trug dazu bei, dass man im Spielbericht von einer Gästeführung reden konnte, denn es war ihre Einzige in diesen 60 Minuten und das soll jetzt nicht abwertend klingen.
Nach so einem grandiosen Sieg lässt sich alles leichter in Worte fassen, als nach einer knappen 1-Tore-Niederlage, wie in der Vergangenheit mehrfach erlebt.

Ferndorf hatte an diesem Abend alles geschafft, was ihnen in der Vergangenheit misslang, sie hatten die Zahl ihrer Fehlwürfe minimiert, sie hatten die Zahl ihrer technischen Fehler minimiert, agierten in Abwehr und Angriff gleich stark und hatten hinten drin einen bärenstarken Filip Baranasic stehen, der in seinem ersten Heimspiel für den TuS die Säbel gewetzt hatte und 13 sensationelle Paraden aufs Parkett zauberte. Das nennt man „einen Einstand nach Maß“ und im Interview nach dem Spiel überschlug er sich förmlich vor Begeisterung und konnte gar nicht fassen, was da die Fans auf den Rängen abgeliefert haben. Er ist noch gar nicht lange da und ist schon bei den Fans angekommen, bitte weiter so.

Was erstaunlich ist, aber nicht nur bei Filip, ist die Tatsache, dass es sich bei den abgewehrten Würfen meist um Würfe aus dem Rückraum handelte, also aus dem 8-10-Meter Bereich. Das lässt sich womöglich einfach erklären.
Außenwürfe sind technisch raffinierter, kommen aus spitzem Winkel und sind schwerer auszurechnen, deshalb sind sie für Torhüter oft die größere Herausforderung. Rückraumwürfe dagegen sind zwar härter, aber besser lesbar, denn die Flugbahn des Balls ist länger, insbesondere bei Sprungwürfen, somit hat der Torhüter mehr Zeit zu reagieren.
Cevens Jungs waren hellwach, ihre Körpersprache war eine andere, da war er, der Wille, heute gewinnen zu wollen, ja eigentlich gewinnen zu müssen, denn sonst wäre es kein Goldener Oktober gewesen und wir wären in der Tabelle womöglich auf Platz 15 von 18 gelandet. Derzeit sind wir aktuell auf Platz 11, aber es finden heute noch Spiele statt, die das garantiert verändern werden, ob zum Vor oder Nachteil wird sich dann zeigen.
Ferndorf ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, die Jungs waren da, wo man sie gerne sieht, nämlich in Führung liegend. Bis zum 8:4 in der 14. Minute, Josip hatte dieses Tor erzielt, Ferndorf hatte jetzt 3 unkonzentrierte Minuten, in denen sie auch 2 Fehlwürfe hatten, die die Gäste eiskalt nutzten, aber dafür waren sie auch bekannt. Zack, 16. Minute, die Anzeigetafel zeigte nur noch ein 8:7, das war ein Dreierpack der „Königlichen“ aus der Landeshauptstadt von Brandenburg.
Genau das wollte Ceven vermeiden, er buzzerte (15:46 Min.) und brachte sie wieder in die Spur. Es kam zwar noch ein Fehlwurf, wurde auch nochmal holprig, da zwei weitere Fehlwürfe keinen Schaden anrichteten, denn sie landeten wieder in unserer Hand, trotzdem lag der TuS in der 21. Minute durch einen verwandelten Siebenmeter von Josip Eres mit 11:8 in Führung. Der zuletzt fehlende Daniel Hideg kam nun ins Spiel, der VfL holte sich eine 2-Minuten-Spielpause ab, Mattis knallte das Ding an die Latte und als Marvin Mundus das harzige Spielgerät in der 25. Minute in die Maschen haute, war es schon das 13:9. Kein Grund heute Trübsal zu blasen, trotz leichter Fehler schienen die Ferndorfer das Spiel im Griff zu haben. Wenn man Ceven am Seitenstand stehen oder gehen sah, war sein breites Grinsen nicht zu übersehen, so schaut nur jemand, der alles im Griff zu haben scheint.
Um es kurz zu machen, ein heute stark aufspielender Hampus Dahlgren (3 Tore) erzielte den Pausenstand von 14:11 und damit hätte sicherlich niemand gerechnet, aber er hätte durchaus höher ausfallen können. Leider verletzte sich nach gespielten 28:44 Marvin Mundus, er bekam ein Knie in den Rücken und musste länger am Spielfeld und auch danach behandelt werden, man sah in später aber auch wieder am Spielfeld, zudem hat er wegen der Länderspielpause Zeit zum Auskurieren, gute Besserung.

Ceven durfte in der Kabine nicht wirklich was zu bemängeln haben, Emir Kurtagic auf der Gegenseite schon, denn seine Jungs verfielen in die Fehler, die Ceven bei seinen Jungs in den letzten Spielen bemängelte. Potsdam hatte in der 1. HZ sieben Mal die Chance auszugleichen, beim 4:4 schafften sie es auch ansonsten lagen sie sechs Mal mit nur 1 Tor hinten, schafften es aber nicht weiter, denn diese Hammer-Abwehr des TuS vereitelte dies. In Halbzeit 2 lagen sie auch sieben Mal mit nur einem Tor hinten, scheiterten aber auch da am TuS-Bollwerk oder an Filip Baranasic, sie gerieten von einem Zeitspiel ins andere.
Ferndorf dominierte dieses Spiel und immer, wenn es mal eng wurde, fanden sie perfekte Lösungen. Das heißt jetzt nicht, dass sie fehlerfrei spielten, das macht keine Mannschaft, aber jeder wusste, wofür er auf der Platte stand, es war eine komplett geschlossene Mannschaftsleistung. Dabei begann die 2. HZ recht holprig, es ging sogar bis zur 41. Minute, der TuS hatte bis zu diesem Zeitpunkt zwei mickrige Törchen erzielt (16:14), Potsdam hingegen drei. In der Zeit gab es aber auch fragwürdige Entscheidungen der Schiris, die sich im gesamten Spiel mit unterschiedlichen Meinungen einbrachten, der eine zeigte in die Richtung, der andere in die, sehr mehrwürdig das Ganze. Ceven buzzerte, um alle nochmal richtig einzunorden und das zeigte dann auch Wirkung. Meyer, Fanger, Hampus und wieder Fanger besorgten bis zur 48. Minute das 20:18. Aber auch das passierte in kleinen Schritten (17:15, 17:16, 18:16, 18:17 und so ging es weiter bis zum 22:20 und 22:21.
Es war ein extrem schnelles Spiel in dieser Phase, nach jedem TuS-Tor folgte umgehend ein Gegentor. Was danach folgte, ließ VfL-Trainer Kurtagic garantiert verzweifeln, denn Ferndorf hat noch einen Köcher mit 8 spitzen Pfeilen entdeckt und damit wurde das Potsdamer Tor unter Beschuss genommen und es wurde für die Heimfans eine Crunchtime, die sich gewaschen hatte. Mattis Michel erhöhte auf 23:21 und Hampus Dahlgren, der auf seiner Außenposition etliche Bälle in der Abwehr abfing machte das 24:21 und Emir Kurtagic buzzerte, ihm drohte das Spiel zu entgleiten, aber das ist schon ganz anderen hier passiert, nur halt noch nicht in dieser Saison, es folgten 3 torlose Minuten beider Teams und das gefiel Ceven ja auch nicht wirklich, denn es wäre nicht das erste Mal, dass wir einen möglichen Sieg in dieser Zeit „verschenkt“ haben. So haute auch er nach gespielten 53:32 auf den Buzzer, denn das sollte ihm hier und heute nicht schon wieder passieren.

Tat`s ja auch nicht, aber wer wusste das schon. Was dem Gegner gar nicht in die Karten spielte, war die Tatsache, dass Meistermacher und TuS-Fuchs Klatt den Torwart rausnahm und durch einen siebten Feldspieler ersetzte, das war jetzt mutig, aber wirkungsvoll. Der lange Meyer im Team machte kurz und schmerzlos das 25:21, der VfL machte ein Stürmerfoul und Ferndorf ließ sich nicht zweimal bitten, Daniel Hideg und Valentino Duvancic erhöhten auf 27:21 in der 58. Minute. Nun wusste auch der Letzte, dass der Käse gegessen war und nach zwei Jahreszeitenwechseln oder auch exakt 209 Tagen erlöste der TuS sich selbst und seine fast 1300 Fans in der Halle. Der TuS spielte die Uhr souverän herunter und am Ende stand ein erfrischendes 30:23 auf der Anzeigetafel.
Die TuS-Fans, die bereits fünf Minuten vor der Schlusssirene den Hexenkessel stehend in Wallung brachten, feierten ausgelassen. Und wer weiß, vielleicht ist an diesem Abend so mancher Zuschauer zum TuS-Fan geworden und trägt künftig dazu bei, dass die Halle noch voller wird.
Bemerkenswert auch, wie es Ceven und die Jungs geschafft haben, mit diesem bemitleidenswerten Minikader diese Leistung zu vollbringen.
Was man dazu braucht, ist ein Kader, wenn auch Rumpfkader, der an die 100 % kommt, der kämpft und rackert und sich am Ende dafür belohnt. Da gehören auch die 1301 Fans zu, die die Tribüne in Schwingungen versetzt, der Fanclub der Brigade C mit Fahnen und Gesängen und nicht zuletzt die unermüdlichen FERNDORFER FÜCHSE, die an diesem Abend neun Trommeln traktierten, bis die Stöcke (heißen die so??) glühten.
Danke, Jungs. Danke, Ceven. Heute habt ihr den Zweiflern, die es immer wieder gibt, eindrucksvoll gezeigt, wozu ihr in der Lage seid, Chapeau!
In der Pressekonferenz nach dem Spiel sprach Ceven Klatt von einem Sieg, der vielleicht um ein, zwei Tore zu hoch ausfiel. Ich glaube, das ist so eine „Freundlichkeits-Floskel“, denn am Saisonende könnte sich das rächen und Ferndorf hat das ja schon schmerzlich erfahren müssen.
Jetzt eine spielfreie, aber nicht trainingsfreie Zeit, pflegt eure Blessuren, tankt Kraft und kommt gestärkt zurück, wenn ihr am 09. November versucht, in Dresden die Elbe trockenzulegen.
Tor: Filip Baranasic 13 Paraden, darunter auch 2 Siebenmeter (36 %)
Torschützen:
Julius Meyer-Siebert 7
Julius Fanger 6
Josip Eres 4/2
Hampus Dahlgren und Valentino Duvancic je 3
Mattis Michel, Marvin Mundus und Daniel Hideg je 2
Tom Jansen 1
Filip Baranasic zu Kai Brückmann:
Ich finde keine Worte, das war einfach brutal! Die Jungs sind geil, ich weiß echt nicht, was ich sagen soll. Ich bin sehr emotional, besonders wenn ich in so einer heißen Halle spiele. Ich bin einfach voll dabei.
EMIR KURTAGIC:
Glückwunsch an Ceven und den TuS, ich denke es war auf jeden Fall verdient. Es war ein nervöser Auftakt und Ferndorf ist ein wenig besser ins Spiel gekommen, so dass wir praktisch über 16 Minuten hinterherlaufen. In der 2. HZ haben wir drei, vier Mal gute Chancen gehabt auszugleichen, um ein wenig Druck auf Ferndorf auszuüben. Wir nutzen diese Gelegenheit nicht und ich glaube, die Schlüsselaktion ist die Zeitstrafe gegen Max Günther, wo Ferndorf ein 3:0 aus dieser Zeitstrafe zieht, dadurch war das Spiel meiner Meinung nach gegessen. Der Sieg war mehr als verdient und Gratulation an den Gegner.
CEVEN KLATT:
Ich bin heute unheimlich froh und freue mich riesig für die Jungs, dass wir uns nach den harten letzten Wochen endlich belohnen konnten und zwar nicht nur mit positiven Eindrücken, sondern mit echten Punkten.
Ich finde, wir spielen eine sehr gute erste Halbzeit, kommen über das Tempo und finden immer wieder gute Lösungen. Einziges Haar in der Suppe ist die Chancenverwertung, da hätten wir zur Pause eigentlich höher führen müssen.
In der zweiten Halbzeit macht Potsdam enormen Druck. Solche Phasen hatten wir in dieser Saison schon öfter, in denen der Gegner nochmal rankommt. Auch heute war das so, aber wir überstehen das, und ich glaube, das war der Schlüssel zum Sieg: das 3:0 in Überzahl.
Hinten raus bleiben wir ruhig, Potsdam versucht es nochmal mit der offenen Deckung. Wir reagieren mit dem Spiel sieben gegen sechs, finden erneut gute Lösungen und gewinnen am Ende verdient, auch wenn das Ergebnis vielleicht ein, zwei Tore zu hoch ausfällt.
Julius Fanger:
Ich glaube, wir haben uns den Sieg heute wirklich verdient, gerade wenn man bedenkt, wie klein unser Kader ist und wie viel wir reingeworfen haben. Wir haben uns endlich mal für die guten Leistungen der letzten Wochen belohnt, Dessau mal ausgenommen.
Es hat endlich geklappt, und man hat uns allen angemerkt, wie groß die Erleichterung war, auch dank unseres starken Torhüters. Ich denke, wir hatten heute ein Stück weit mehr Spielglück als zuletzt und waren konsequenter in den Abschlüssen.
In der ersten Halbzeit hatten unsere Kreisläufer keine ganz so gute Quote, aber bei allen anderen war es, glaube ich, in Ordnung. Wir sind immer nah dran und irgendwann hat man das nötige Quäntchen Glück, gewinnt so ein Spiel und dann auch noch gegen so eine Mannschaft.
Bericht: Peter Trojak
Fotos: Andreas Domian

























































