(wS/al) Siegen 22.12.2025 | Die gemeinnützige Trägerin Alternative Lebensräume GmbH stellte im Jahr 2021 den ersten dauerhaften Mietvertrag für eine obdachlose Frau aus, die sich seitdem aus ihrer einstigen prekären Lebenslage befreit.
Aus dem geschützten und sicheren Rahmen des Housing First Angebots heraus kommt sie zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Eigens für das Projekt hatte die Trägerin das Haus 2019 bereitgestellt und saniert.
2023 konnte eine zweite Immobilie mit 3 Wohneinheiten durch die Trägerin und erstmals in NRW mit Unterstützung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) für Housing First saniert werden. Anfang 2025 wurde die 3. Immobilie für das Projekt angeboten, in der in Kürze auch die letzte Wohnung an einen vormals Obdachlosen vermietet wird.
Insgesamt leben im Umfang des Housing First Projektes künftig 10 Menschen im Raum Siegen, teils mit ihren Kindern, in einem regulären Mietverhältnis und können ihr Leben neu ordnen. Durch die „ganz normale Anschrift“ wird auch Stigmatisierung entgegengewirkt, so dass sie mit dieser Adresse aus der Spirale von „arbeitslos – wohnungslos – arbeitslos“ herauskommen können.
„Freue mich darauf, für mein Kind und mich wieder selbst kochen zu können.“ Projektleiterin für Housing First der Alternative Lebensräume GmbH, Lisa Assing: „Mich überrascht und bewegt regelmäßig, wie viel durch Housing First bewirkt werden kann. Ich frage die neuen
Mieterinnen und Mieter, worauf sie sich jetzt am meisten freuen, und es sind die einfachsten Dinge, die den meisten von uns selbstverständlich sind. In erster Linie ist es das Gefühl von Sicherheit und Schutz, weil man eine Türe hinter sich verschließen kann. Sich einfach eine Weile im Badezimmer aufzuhalten und sich in Ruhe zu pflegen, oder wieder selbst zu kochen waren weitere Tätigkeiten, auf die sich die Mieterinnen besonders freuten. In anderen Fällen war es auch, dem Kind wieder ein Zuhause bieten zu können. In einem weiteren Lebenslauf wird sich darauf vorbereitet, beruflich wieder Fuß zu fassen.“
Sicherheit durch Wohnraum
In den Häusern der Trägerin wird auch auf die Hausgemeinschaft geachtet. In zwei Häusern leben nur
Frauen und in einem sind es Männer. Lisa Assing: „Viele wohnungslose Frauen fallen in der
Öffentlichkeit gar nicht auf, weil sie in ihrer Not ungünstige und oft gewaltbehaftete Beziehungen
eingehen. In der Obdachlosigkeit sind schlimme Erfahrungen gemacht worden, Wunden entstanden,
die heilen müssen. Das berücksichtigen wir natürlich. Durch unsere soziale Arbeit und weitere
Angebote wie das ambulant betreute Wohnen, das genutzt werden kann, aber nicht muss, begleiten
wir individuell diesen Prozess der Erholung. Übrigens: Dass weitere Hilfen genutzt werden können,
aber nicht müssen, unterscheidet Housing First von anderen, teils stationären Angeboten, wo das zur
Bedingung gemacht wird. Wir sind für die Mieterinnen und Mieter da und sehen immer wieder, dass
es ganz wichtig ist, die Gesundheit wiederherzustellen, allgemeinmedizinisch, zahnmedizinisch oder
eben auch therapeutisch. Denn mit der Obdachlosigkeit haben die Betroffenen oft die Anbindung an
die medizinische Versorgung verloren. Sie haben oft auch aus Scham Kontakte zu ihren Familien
abgebrochen. Auch hierbei können wir unterstützen, herauszufinden, welche Kontaktaufnahmen
förderlich wären. Wenn die Person wieder gestärkter ist, kann an eine Wiedereingliederung ins
Arbeitsleben gedacht werden.“
Was Obdachlosigkeit kostet
Erfahrungen und Berechnungen zeigen und legen nahe, dass der Housing First Ansatz um einiges wirtschaftlicher ist als die bisherigen Maßnahmen, Menschen in Wohnheimen unterzubringen. Hier gibt es eine Zahl des Instituts für angewandte Wirtschaftswissenschaften der Freien Universität Brüssel aus dem Jahr 2023, dass ein Obdachloser den Staat 40.000 bis 52.000 Euro jährlich kosten würde (Berliner Morgenpost). Es ist leicht auszurechnen, dass ein Mietverhältnis in jedem Fall günstiger ist, auch wenn weitere Transferleistungen wie Wohngeld gezahlt werden.
Sonja Becker: „Und von der Straße wegzukommen, ist ohne feste Bleibe schwer und oft perspektivlos. Durch Housing First erleben wir es, dass die Menschen wieder zuversichtlich werden und damit beginnen, ihrem Leben wieder eine positive Wendung zu geben.“
Lisa Assing ergänzt: „Es gab ja auch eine Zeit in deren Leben, in der es besser lief. Die Gründe für die Obdachlosigkeit liegen dabei in Lebenseinschnitten, die weit verbreitet sind. Oft sind es Schulden, die entstanden sind durch Arbeitslosigkeit oder Trennung. Das ist ein weiterer Hauptgrund, wenn Beziehungen zerbrechen und einer auf einmal ausziehen muss. Ein weiterer Grund ist, keinen Anschluss an einen stationären Aufenthalt zu haben.“
Housing First als eine Antwort auf Obdachlosigkeit in der Region
Laut Statistischem Bundesamt stieg die Obdachlosenquote zuletzt um 8 % in Deutschland. In Finnland wurde 2008 das Konzept Housing First begonnen und bis heute konnte dort die Obdachlosigkeit um 60% gesenkt werden. Alternative Lebensräume GmbH konnte in diesem Jahr im Rahmen von Housing First weitere 4 Wohnungen bereitstellen und im Januar wird die 10. Person aus der Obdachlosigkeit herausfinden, in einem Haus der Trägerin. Sonja Becker: „Es zeigt sich, dass die Menschen in einer Housing First Wohnung dauerhaft aus der Obdachlosigkeit herauskommen können. Unsere bestehenden Mietverhältnisse bisher ermutigen uns auf diesem Weg.“ Daher werde die Trägerin auch weiterhin nach Häusern und Wohnungen für das Projekt Housing First suchen und dafür werben.

Lisa Assing und Stefanie Edenhauser von alf setzen sich erfolgreich für Housing First ein, beraten und begleiten.

Lisa Assing, sie berät auch Vermietende über Möglichkeiten von Housing First
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