(wS/hi) Hilchenbach/Siegen – Heute erreichte die wirSiegen.de-Redaktion erneut ein sehr schöner Beitrag des Dahlbrucher Heimatforschers Heinz Bensberg. Diesen Bericht über die Bergstadt Siegen wollen wir unseren Lesern auch dieses Mal nicht vorenthalten…
Turmgekrönt mit Mauergürtel schaute sie trutzig ins Land
Die alte Bergstadt Siegen war seinerzeit eine wahrhaftige Festung. Turmgekrönt mit Mauergürtel schaute sie trutzig ins Land. Die Stadtbefestigungen waren in den vergangenen Jahrhunderten unter harten Fronarbeiten geschaffen worden. Die Stadtmauer war wohl überall mit einem Umgang versehen über dem sich ein Dach befand. In dem Brandbericht von 1593 wird ausdrücklich das Dach der Stadtmauer an der Hinterstraße erwähnt, welches auf eine Länge von 300 Fuß vernichtet wurde. Auch in einem Bericht vom Magistrat der Stadt Siegen im Jahre 1833 an die Regierung in Arnsberg wird von der noch unter dem Dach stehenden Mauer am Hain gesprochen.
Es gab damals drei Zufahrtsstraßen zur Bergfeste Siegen. Und wer in die Stadt hinein wollte, musste durch starke Tore gehen, die mit Bollwerken geschützt waren. Es war das Kölner- das Löhr- und das Marburger Tor. Neben den Haupttoren für den großen Verkehr waren um 1500 noch verschiedene kleinere Tore. Sie wurden Porte bzw. Pforte genannt und waren für den Zugang von Feldern, Gärten und gewerblichen Anlagen, die außerhalb der Stadt lagen.
Die größte Befestigungsanlage hatte das Marburger Tor. Ein feuchtes und dunkles Gewölbe, von nicht unbeträchtlicher Länge, war beim Eingang in die Stadt zu durchschreiten. Das Löhrtor und auch das Kölner Tor hatten je drei befestigte Pforten, die durchschritten werden mussten.
Das Löhrtor hieß seinerzeit Wetzlarer Tor. Auch die Straßenbezeichnung wechselte.
So wurde bis 1404 die ,,wetflergasse’’ erwähnt, die identisch war mit der 1455 erstmals erscheinenden ,,loirgasse’’. Seit dieser Zeit hieß diese Straße immer Löhrgasse oder Löhrstraße. Das Gerber- oder auch Löhergewerbe genannt, war in Siegen sehr früh und lange beheimatet gewesen. Es hatte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts einen großen Aufschwung. Die Löher zogen seinerzeit fast alle, da sie hier näher am Wasser waren in diese Gasse, die zum Wetzlarer Tor führte. Das Tor, welches an der großen nach Wetzlar führenden Straße lag, hatte den Namen noch länger als die Straße behalten. Erst um 1600 wurde es Löhrtor genannt.Etwa um 1800 begann der Verfall der Befestigungswerke der Stadt Siegen. Hinzu kam, dass bei dem starken Wachstum der Bevölkerung und des aufblühenden gewerblichen Lebens der Bürgerschaft es zu eng in dem Mauergürtel wurde. Zuerst ließ der Stadtpräfekt einen dreistöckigen Turm am Marburger Tor abbrechen. Um 1815 begann der Abbruch der Wehrgänge auf der Stadtmauer. Das Torgewölbe des Marburger Tores wurde im Jahre 1830 beseitigt und das Bollwerk, welches damit verbunden war, kam 1852 bzw. 1889 zum Abbruch. Danach wurde auch das Kölner Tor abgerissen. Auch das Löhrtor, welches am längsten der drei Tore erhalten blieb, musste dem Neubau von Häusern weichen.
Der Beigeordnete Schutz gab im Jahre 1810 eine genaue Beschreibung des Marburger Tores. Vom Turm, Tor und Bollwerk sagte er Folgendes. ,,Der Turm maskiere für den aus der Stadt kommenden das dahinter liegende große Torgewölbe. Er sei uralt, eine Zierde der Stadt und in seinen drei Etagen sehr dauerhaft gebälkt und gedielt. Jedes Stockwerk enthalte ungefähr 20 Fuß Quadrat im Lichten und das inwendige Gehölze werde, wenn es zum Abbruch kommen sollte, von Sachkennern auf 100 Rtl. angeschlagen. An diesem Turme befinde sich in unmittelbarer Verbindung das große Torgewölbe. An dieses Gewölbe stößt ein anderes, welches zur Defensive des eben gedachten Gewölbes Schießlöcher hat und haben beide Gewölbe eine Mittelmauer. Auf diesen beiden Gewölben steht das auf das schönste eingerichtete Bollwerk mit Brustwehr, Schießscharten Kanonenhaus und am Ende desselben befindet sich die Wohnung des Pförtners nebst Stallung, Mistenstätte, Graserei, Garten und Obstbäumen.’’
Durch diese drei Tore ging der gesamte Verkehr in die Stadt und wieder heraus. Es zogen hinein und heraus die reitenden und fahrenden Posten, herrschaftliche Fuhrwerke und Bediente. Die Planwagen der reisenden Kaufleute und Händler, die Frachtwagen der Eisen- und Kohlenfuhrleute, die Wagen und Karren der Landleute, welche Holz und Viktualien in die Stadt brachten. Durch diese Tore zogen die in blaue Kittel gekleideten Landleute sowie Prediger und Ärzte zu ihrem Werke. Auch das fahrende Volk musste hindurch. Es waren Bettler, Zigeuner, Mäckese, Porzellan-, Olitäten-, Gewürz- und andere Krämer, Pfannenpflicker, Korbmacher, Scherenschleifer, Taschenspieler, Glückstopfkrämer, Riemenstecher, Lumpen- und Schuhlappensammler. Den Fahrenden war die Stadtpolizei scharf auf dem Fuße, und die Torwächter hatten ein wachsames Auge auf alle verdächtigen Menschen, die ein und aus gingen.
Ein Verkehrshindernis bildeten wie in allen befestigten Städten, die Tore. Man nahm dies gerne in Kauf, da es eine Sicherheit für die Bürger war. Auf Wunsch erhielt die Stadt Siegen am 15. März 1783 von der fürstlichen Landesregierung in Dillenburg, ein Reglement für eine sogenannte Torsperre. Die Tore wurden abends, es war unterschiedlich je nach Jahreszeiten, einige Stunden geschlossen. ,,In den Monaten Junius, Julius und Augustus fängt die Sperrzeit des Abends um 9 Uhr an und dauert bis 12 Uhr nach ausgeschlagener Glocke.’’ Eine viertel Uhr vor dem Anfang der Sperrzeit wurde durch ein Trommelschlag auf dem Stadtturm zu jedermanns Benachrichtigung das Zeichen gegeben, dass die Sperre nach Ablauf von ein viertel Uhr ihren Anfang nehmen werde.
Jede Person, die in dieser Zeit zu Fuß durch ein Tor ging, musste zwei Kreuzer zahlen. Von jedem Pferd, Maultier, Ochsen oder Esel wurden vier Kreuzer Speergeld erhoben. Befreit von diesem Sperrgeld waren die herrschaftlichen Kutschen und Boten. Das Militär zu Fuß oder zu Pferde, die Posten und die Feuerläufer. Auch befreit waren die Boten welche ,,zur Herbeiholung eines Medici, Chirurgi oder einer Hebamme oder zur Abholung nötiger Arzneimittel abgesandt waren.’’ Die Einnahmen aus dem Sperrgeld flossen in die damalige Armen-Verpflegungsanstalt. Die Sperrgelderheber wurden vom Stadtgericht bestellt und in die Pflicht genommen
Knarrend schlossen sich zu bestimmten Stunden die Flügel der Stadttore und öffneten sich wieder zur festgesetzten Zeit. Der sittsame Bürger fühlte sich geborgen hinter Mauern, Toren und Wällen. Er ging abends zeitig, ehe die Lumpenglocke schlug nach Hause. Lumpenglocke ist die Bezeichnung für mehrere Glocken, die abends das Schließen der Stadttore einläuten. Die Zecher – die Lumpen – wurden hierbei an die späte Stunde erinnert und aufgefordert nach Hause zu gehen.
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