(wS/ots) Siegen-Wittgenstein 07.10.2019 | Diese Fahrt blieb folgenlos. Sie fand unter Aufsicht in einem abgesperrten Gelände statt.
„Drink & Drive“ – ungewöhnliches Projekt auf Verkehrsübungsplatz Selbstversuch junger Erwachsener im Rahmen eines Präventionsprojektes
Trinken, Autofahren und sich dabei auch noch ablenken lassen – und das alles mit Segen der Polizei, die auch noch mitmacht! Das haben jetzt einige Studierende der Universität Siegen erlebt, und zwar im Rahmen des Projektes „Spaß haben – mobil bleiben“, organisiert von der Fachstelle für Suchtprävention des Kreises Siegen-Wittgenstein. Noch immer gehören die sogenannten „Disco-Unfälle“ zu den tragischsten Ereignissen im Straßenverkehr.
Hier setzt „Spaß haben – mobil bleiben“ an: Ungefähr Gleichaltrige gehen in Fahrschulen und berichten davon, welche Auswirkungen es hat, mit Alkohol im Blut hinterm Steuer zu sitzen, als Fahrer mit dem Smartphone zu hantieren oder sich vom Beifahrer ablenken zu lassen. „Wenn Gleichaltrige, so genannte ‚Peers‘, von solchen Erlebnissen berichten, ist das wesentlich glaubwürdiger, als wenn der vielleicht 30 Jahre ältere Fahrlehrer das tut.“ Das ist die Erfahrung von Volker Schneider von der Suchtprävention des Kreises: „Aber wichtig ist natürlich, dass die jungen Leute wissen, wovon sie reden.“ Gleiches gilt für Polizeibeamte, die ebenfalls immer wieder mit dem Thema „Alkohol am Steuer“ konfrontiert werden und einem angetrunken Autofahrer erklären müssen, warum das ziemlich dumm ist. „Nur was man selbst erlebt, kann man wirklich gut erklären und rüber bringen“, sagt Felix Weber, 25 alt, Polizeibeamter und angehender Fahrsicherheitstrainer der Verkehrswacht Siegerland-Wittgenstein e.V.
Von dieser Erkenntnis haben sich Kreis, Kreispolizei und Verkehrswacht jetzt leiten lassen und gemeinsam zu einer ungewöhnlichen Aktion auf den Verkehrsübungsplatz des Olper Automobilclubs eingeladen. Mitmachen konnten „Peers“ aus dem Präventionsprojekt des Kreises und junge Polizeibeamte. Auf dem abgesperrten Übungsgelände standen neun Fahrlehrer mit ihren Autos breit. Zunächst haben die Teilnehmer einen Parcours abgefahren – völlig nüchtern und problemlos. Danach ging es ans Eingemachte: Es gab Bier und Sekt. Der Alkohol durfte etwas wirken. Dann wurden die Promille gemessen und es ging zum zweiten Mal durch den Parcours – natürlich mit Fahrlehrer an der Seite.
Nach einem Essen und einer angeregten Unterhaltung konnte, wer wollte, noch ein Bier trinken und den Parcours ein drittes Mal durchfahren. „Die meisten jungen Fahrer dachten noch, sie hätten alles im Griff“, sagt Michael Zell, Polizeibeamter und Fahrsicherheitstrainer bei der Verkehrswacht. Die Alkoholwerte lagen auch alle noch weit unter 0,8 Promille. Doch Maik Arndt, Fahrsicherheitstrainer und Fahrlehrer, musste feststellen, dass die jungen Leute mutiger und enthemmter wurden: „Allerdings nahm ihre Fahrfertigkeit nicht zu, sondern ab. Hindernisse wurden überfahren, Ausweichmanöver viel zu spät eingeleitet oder Gefahren vollkommen übersehen. Besonders die Folgen durch eine Ablenkung durch eine WhatsApp-Nachricht hat mich persönlich erschreckt.“
Auch Jens Schiller von der Netphener Fahrschule Schiller hatte den gleichen Eindruck: „Es war überaus spannend zu erleben, was eine geringe Menge Alkohol oder auch eine Message auf dem Handy mit jemanden macht, der eigentlich Auto fahren will und sich auf den Straßenverkehr konzentrieren sollte.“
„Spaß haben – mobil bleiben“, ist für die Kreispolizeibehörde ein wichtiger Baustein in der Verkehrsprävention. Stefan Winkler, Leiter der Direktion Verkehr und verantwortlich für die Präventionsarbeit, sagt: „Für uns stellt sich immer die Frage, wie wir an die jeweiligen Personengruppen herankommen. In den Klassen 5 und 6 machen wir den Fahrradführerschein, in der Oberstufe haben wir das Projekt Crash Kurs. Aber danach, gerade im kritischen Alter von 18 bis 25 haben wir keinen Zugang mehr. Deshalb sind wir sehr froh, dass wir innerhalb des Fahrschulprojektes unser Fachwissen durch die Peers weitergeben können.“
Auch Volker Schneider von der Suchtprävention des Kreises ist vom Erfolg des Projektes überzeugt: „Prävention selbst kann man nur sehr schwer messen. Ich bin aber sicher, dass gerade die Zusammenarbeit von Fahrschulen, Polizei, Verkehrswacht und Kreis in diesem und weiteren Projekten mit dazu beigetragen hat, dass sich in Siegen-Wittgenstein in den letzten Jahren kaum tragische Verkehrsunfälle in dieser Altersgruppe ereignet haben.“
Nach Beendigung der „Drink & Drive“-Veranstaltung auf dem Verkehrsübungsplatz musste und durfte übrigens keiner der Teilnehmer mehr ans Steuer. Alle wurden heil nach Hause gebracht. Dafür sorgten die Fahrlehrer der Fahrschulen Schiller, Schattat, Freund, Sting und Gero Schmidt, bei denen sich Kreis, Polizei und Verkehrswacht ganz herzlich für ihre Unterstützung bedanken!
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