(wS/red) NRW 18.11.2025 | Dortmund: Ein gestohlener VW, sieben Festnahmen und ein Blick hinter bröckelnde Türen
Kaum ein Ort steht so häufig sinnbildlich für urbane Konflikte wie die Dortmunder Nordstadt. Am Freitag bot der Wochenmarkt erneut die Bühne. Was als klassische Diebstahlkontrolle begann, endete in einer Wohnung mit offenstehender, beschädigter Tür – und sieben Personen, die offenbar mitten in einem improvisierten Drogenkonsumraum überrascht wurden.
Ein gestohlener VW, eine PTB-Waffe, ein Messer, ein raubverdächtiges Mobiltelefon und Drogen in kleinen Mengen: Die Szenerie wirkte chaotisch, aber zugleich typisch für die Parallelwelten, in denen sich Kleinkriminalität, Abhängigkeit und Unordnung gegenseitig verstärken.
Dass keiner der Festgenommenen in Haft blieb, ist juristisch folgerichtig – aber gesellschaftlich unbefriedigend. Der öffentliche Eindruck: Ein Rad dreht sich weiter, ohne dass die Zähne ineinandergreifen.

Dortmunder Nordstadt
Cyberbetrug im großen Stil: Wenn Kriminalität professioneller wird als die Abwehr
Während die Nordstadt ein Bild spontaner Entgrenzung liefert, zeigte eine großangelegte Razzia im Ruhrgebiet die andere Seite moderner Kriminalität: Professionalität, technische Expertise, erhebliche Gewinne.
Ermittler durchsuchten 13 Objekte, sicherten Feingold, Luxusuhren und digitale Beweismittel. Der Schaden liegt bei mindestens 750.000 Euro – eine Zahl, die deutlich macht, dass Cyberkriminalität längst kein Randphänomen mehr ist, sondern sich in der Mitte der organisierten Kriminalität etabliert hat.
Der Staat reagiert, aber er hechelt hinterher. Die Täter agieren global, die Ermittler lokal. Das Kräfteverhältnis bleibt unausgewogen.
Werdohl: Böller, Feuer und ein Messer am Bahnhof
Die Ereignisse in Werdohl wirken auf den ersten Blick klein, fast beiläufig – ein zerstörter Ballfangzaun, ein Messerstreit am Bahnhof. Doch beide Vorkommnisse zeigen, wie schnell in manchen Milieus Gewaltmittel verfügbar sind und wie niedrig die Schwelle zur Eskalation geworden ist.
Ein 65-Jähriger, der auf seinen Bus wartet, findet sich plötzlich in einem Messerstreit mit zwei jungen Männern wieder. Dass er nur leicht verletzt wurde, ist Zufall. Der gesellschaftliche Trend, dass schon alltägliche Situationen in Messerbedrohungen enden, ist längst kein Zufall mehr.
Bochum-Hamme: Eine 12-Jährige, zwei Messer und der Moment, in dem Polizisten schießen müssen
Der Fall, der in dieser Woche am stärksten erschüttert, ereignete sich in den frühen Morgenstunden in Bochum. Eine 12-jährige, schwer erkrankte und gehörlose Vermisste, die ohne Medikamente unterwegs war, greift Polizisten mit zwei Messern an.
Die Beamten hatten kaum Sekunden, um zu entscheiden. Sie setzten Taser und Schusswaffe gleichzeitig ein. Das Mädchen überlebte schwer verletzt.
Es ist ein Fall, der Fragen hinterlässt: nach Jugendhilfe, nach psychischer Versorgung, nach den Grenzen polizeilicher Interventionsfähigkeit. Der Vorfall ist tragisch, aber er ist nicht aus dem Nichts entstanden. Er ist das Produkt eines Systems, das mit belasteten Familien, mit Erkrankungen, mit Hilfebedarf chronisch überfordert ist.
Dortmund: Angriff an der Schützenstraße – wenn Gruppenkriminalität sichtbar wird
Der Angriff auf einen Autofahrer an einer Ampel in der Schützenstraße war von brutaler Eindeutigkeit. Sieben bis acht Männer, Kapuzen tief im Gesicht, Baseballschläger und Machete in den Händen.
Es war ein gezielter, koordinierter Angriff – kein Zufall, kein Streit, sondern ein Überfall mitten in der Stadt.
Derartige Taten nähren die Debatte darüber, ob sich in manchen Großstadtquartieren Gruppenstrukturen etabliert haben, die sich durch Präsenz und Einschüchterung definieren. Die Polizei verweist auf neue Konzepte gegen Messer- und Gewaltkriminalität. Die Frage bleibt, ob sie schnell genug greifen.
Waltrop: Zwei Männer, eine Machete und der Einsatz eines SEK
Ein Streit unter Bekannten führte in Waltrop zu einem Angriff auf einen Kioskbetreiber. Die Täter flüchteten und tauchten ab – bis die Polizei mit Spezialeinsatzkommando (SEK) sie in einer Wohnung stellte.
Die sichergestellten Macheten und eine Schusswaffe zeigen, wie leicht sich heute selbst in kleineren Städten Waffen ansammeln, die früher nur Randgruppen vorbehalten schienen. Die Täter sind jung, mobil, entwurzelt. Ein Muster, das sich in Nordrhein-Westfalen zunehmend wiederholt.
Herten und Wuppertal: Überfälle auf jene, die am wenigsten geschützt sind
Eine Pflegekraft am frühen Morgen, eine 76-jährige Seniorin am helllichten Tag: Zwei Beispiele, wie verletzlich Menschen im Alltag geworden sind.
Der Überfall in Wuppertal, bei dem die Täter auf die am Boden liegende Seniorin eintraten und ihr mit dem Tod drohten, steht exemplarisch für eine Form der Gewalt, die nicht nur kriminell, sondern moralisch besonders erschütternd wirkt.
Willich: Bewaffneter Überfall auf McDonald’s – Reizgas im Küchenbereich
Der Raubüberfall auf eine Fast-Food-Filiale in Willich zeigt dagegen die Professionalität mancher Tätergruppen: Hintereingang, Maskierung, Schusswaffe, Zielobjekt Bargeldkassette. Alles ging schnell, koordiniert, routiniert.
Die Tat verdeutlicht, wie sehr auch Betriebe im ländlich geprägten Westen inzwischen im Fokus bewaffneter Täter stehen.
Kommentar: Ein Wochenende voller Symptome – aber ohne klare Therapie
Die Fälle der vergangenen Woche wirken unterschiedlich, doch sie haben eine gemeinsame Achse: eine spürbare Verrohung des Alltags und die gleichzeitige Überforderung sozialer, psychologischer und polizeilicher Strukturen.
Gewalt tritt schneller zutage, ist intensiver, unberechenbarer – und sie verteilt sich von den Großstädten bis in die kleineren Gemeinden.
Der Staat reagiert, aber er reagiert häufig punktuell.
Was fehlt, ist eine umfassende Antwort:
- auf Jugendgewalt,
- auf Drogenmilieus,
- auf zunehmende Bewaffnung im öffentlichen Raum,
- und auf die digitale Professionalisierung der organisierten Kriminalität.
Solange diese Antworten fehlen, bleibt der Eindruck einer Sicherheitsarchitektur, die täglich Feuerwehr spielt – und nur selten Brandprävention betreibt.

Foto: Andreas Trojak – Polizeipräsidium Dortmund
Werbepartner der Region – AnzeigeWerden Sie Teil unserer Unterstützer-Community
Gefällt Ihnen unsere Berichterstattung auf wirSiegen.de? Helfen Sie mit, dass wir weiterhin unabhängig für Sie berichten können.
👉 Jetzt unterstützenJeder Beitrag hilft – vielen Dank für Ihre Unterstützung!










