Jahresbilanz 2010 des kampfmittelräumdienst

wS/bzr/tbs  Arnsberg  –  Personalsituation und Arbeitsabläufe optimiert – – –

Seit Kurzem sind die neuesten Zahlen veröffentlicht: 2010 wurden NRW-weit 230
Bomben mit einem Gewicht von mindestens 50 Kilogramm gefunden und unschädlich
gemacht – davon 112 im Bereich des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KBD)
Westfalen-Lippe, der der Bezirksregierung Arnsberg zugeordnet ist. Die
Experten am Standort Hagen sind gleichzeitig für die Regierungsbezirke
Detmold und Münster zuständig. Seit 2009 wurden Arbeitsprozesse noch weiter
verbessert und das Personal aufgestockt. Das zahlt sich jetzt zunehmend aus.

„Die Abläufe wurden optimiert. Vor allem haben wir uns in diesem Bereich
gezielt personell verstärkt“, sagt Andreas Sikorski, Hauptdezernent bei der
Bezirksregierung Arnsberg für Gefahrenabwehr und Kampfmittelbeseitigung. Das
Führungsteam in der Außenstelle Hagen bezeichnet Sikorski als „super
Mannschaft“.

Gemeint sind die zuständigen Dezernenten Hans-Peter Eser (im Bereich
Kampfmittelbeseitigung), Dr. Henner Sandhäger (Kampfmitteldetektion) und Ubbo
Mansholt (Luftbildauswertung), die seit 2009 in dieser Konstellation
zusammenarbeiten. Sie koordinieren von Hagen aus den Einsatz von mittlerweile
insgesamt neun Truppführern, 15 Räumarbeitern, vier Verwaltungskräften und
acht Luftsbildauswerter(innen) des KBD Westfalen.

Durch die Personalaufstockung und die Optimierung von Arbeitsabläufen können
die Vorgänge von der Außenstelle Hagen mittlerweile deutlich schneller
bearbeitet werden. „Es gab über Jahre einen gewissen Stau bei der Auswertung
der Luftbilder“, so Eser. Das habe in der Vergangenheit dazu geführt, dass
sich örtliche Bauvorhaben mitunter verzögerten, weil das Gelände noch nicht
auf Kampfmittel untersucht war. Das sei heute anders: „Wir sind mittlerweile
in der Lage, besonders dringende Anfragen aus den Kommunen auch vorzuziehen.“

Rund 300.000 Luftbilder erleichtern die Suche

Unverändert gehen im Bereich Westfalen-Lippe pro Jahr mehrere Tausend
Anfragen nach einer Luftbildauswertung ein. 2010 war das genau 6.134 Mal der
Fall. „Auslöser für solche Anfragen ist in der Regel ein
Baugenehmigungsverfahren“, erläutert Eser. Die Luftbilder, so der 44-Jährige,
seien meist „qualitativ hochwertig“. Rund 300.000 sind NRW-weit verfügbar,
davon mehr als die Hälfte am Standort Hagen. Aufgenommen wurde der größte
Teil zwischen 1943 und 1945 von den Alliierten. Und was damals dazu diente,
den Zerstörungsgrad der Bombenangriffe zu überprüfen, wurde nach dem 2.
Weltkrieg zur Grundlage für die Arbeit der Kampfmittelbeseitigungsdienste.
Noch heute gilt NRW-weit: In zwei von drei Fällen führen die alten Luftbilder
zum Fundort. Sie bleiben das wichtigste Hilfsmittel, um Gefahrenpunkte zu
erkennen.

Von den 112 im Bereich Westfalen-Lippe gefundenen Bombenblindgängern mit
einem Gewicht von mindestens 50 Kilogramm wurden 74 entdeckt, weil konkrete
Verdachtspunkte auf Luftbildern vorlagen – und weitere 13 Bomben, weil die
Aufnahmen (vage) Verdachtsmomente lieferten. In 359 Fällen wurden Granaten,
Bomben oder andere Sprengmittel in den Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold
und Münster zufällig entdeckt.

2010 in Westfalen-Lippe rund 5000 Kampfmittel beseitigt

Dazu zählten, neben größeren Bomben, auch Nebel-, Brand-, Splitter- und
kleinere Sprengbomben. Insgesamt wurden 4.921 Kampfmittel geräumt – darunter
1.944 Granaten und Handgranaten sowie sieben Minen. Die Explosivstoffmenge
lag bei über zwölftausend Tonnen. Und nur in Einzelfallen kommt es vor, dass
Kampfmittel vor Ort gesprengt werden müssen, weil die Munition – bei
speziellen Granattypen und Zündsystemen – nicht zu entschärfen bzw. nicht
transportabel ist.

Das Land NRW zahlte im Jahr 2010 rund 21 Millionen Euro, um Kampfmittel zu
beseitigen und die Entsorgungstechnik zu modernisieren. An private Räumfirmen
vergab NRW Aufträge in Höhe von 5,5 Mio. Euro. In Westfalen-Lippe (Arnsberg,
Detmold, Münster) wurden gut 2,5 Mio. Euro an private Räumfirmen gezahlt.

Bei einer dieser privaten Firmen war auch Räumungsarbeiter Volker Lenz
beschäftigt, bevor er 1991 bei der Bezirksregierung angestellt wurde. Der
47-Jährige, der von Hagen aus mit dem jeweiligen Truppführer zum Einsatzort
fährt und dort die Detektion durchführt, hat in über 20 Jahren viel gesehen –
bis hin zu alten Kanonenkugeln aus der Zeit der napoleonischen Kriege. Der
bis dato „spektakulärste“ Vorfall im laufenden Jahr 2011 sei derweil, erzählt
Lenz, eine 80-Kilo-Splitterbombe aus dem 2. Weltkrieg im Chemiepark Marl
gewesen – ein „sensibler Fund“.

Kein Ausbildungsberuf – aber intensives „Training on the job“

Für Aufsehen sorgte kürzlich, im Juli 2011, beispielsweise auch die
Entschärfung einer Fünf-Zentner-Bombe in Unna. Gut 1.200 Anwohner in einem
300-Meter-Umkreis mussten evakuiert werden. Die Entschärfung des dortigen
Blindgängers nahm Karl-Heinz Clemens vor, einer der Truppführer bei der
Bezirksregierung. Das Knifflige in Unna: Die Bombe war wie einzementiert. Ein
fünfköpfiges Team musste sich gut 3,50 Meter per Bagger durch harte Erde zur
Bombe vorarbeiten – und der letzte halbe Meter war für Clemens dann
Handarbeit, da er sich durch eine Mergelschicht wühlen musste.

„Das war schwierig, der Boden war sehr hart“, so der 50-Jährige unmittelbar
nach der Entschärfung gegenüber der lokalen Presse. Für Clemens, der vor gut
fünf Jahren seine erste Bombe entschärft hatte, war es „ein normaler Fall“.
Seine Erfahrung: „Jeder Fund ist anders. Routine gibt es für mich nicht.“

Und was es ebenfalls nicht gibt, ist ein Lehrberuf zum Kampfmittelbeseitiger:
Truppführer Clemens ist eigentlich Kfz-Mechaniker (und Katastrophenschützer).
Das Spezialwissen erwerben sich die Kampfmittelräumer in Lehrgängen und unter
Aufsicht im „Training on the job“, bis sie die jeweilige Aufgabe selbständig
erfüllen können. So hat auch Volker Lenz, ursprünglich ein gelernter Maler
und Lackierer, im Zerlegebetrieb Hünxe eine intensive Schulung absolviert und
dann Praxiserfahrung gesammelt.

Im Übrigen: Seine Ehefrau, erinnert sich Lenz, sei nicht begeistert gewesen,
als er damals zum Kampfmittelräumer „umschulte“. Mittlerweile, nach über 20
unfallfreien Jahren in diesem Job, sei aber auch bei der Gattin „Entspannung“
eingekehrt.

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