(wS/si) Kreis Siegen-Wittgenstein 26.04.2022 | „Wenn Schwalben am Haus brüten, geht das Glück nicht verloren“, lautet ein altes Sprichwort. Und ein anderes lautet: „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.“ In Kürze werden die Boten des Glücks und wendigen Flieger wieder aus ihren Winterrevieren in Afrika zurückkehren und auch den heimischen Kreis wieder aufsuchen, um hier ihre Eier zu legen und ihre Jungen aufzuziehen.
Leider geht es den Schwalben hierzulande immer schlechter. Rauch- und Mehlschwalben sind Kulturfolger, das heißt ihr Lebensraum ist an menschliche Siedlungen gebunden. Beide Schwalbenarten bauen ihre Nester an Fassaden bzw. in offenen Gebäuden.
Durch modernen Hausbau mit Flachdächern oder glattem Verputz werden die Nistmöglichkeiten für die Schwalben stark eingeschränkt. Aus Angst vor Kotspuren an den Wänden werden Schwalben auch bei Nestbauversuchen oft verscheucht oder gar ihre Nester zerstört. Dabei lässt sich die Verschmutzung mit der Anbringung eines schrägen Kotbretts unterhalb der Nester ganz einfach dauerhaft vermeiden.
Michael Gertz, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Siegen-Wittgenstein, erläutert hierzu: „In der Vergangenheit ist es durch die Einwirkungen des Menschen zu einem fortschreitenden Artenschwund gekommen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber strenge Vorschriften zum Schutz bestimmter Tierarten erlassen. Ziel der rechtlichen Vorgaben ist es die biologische Vielfalt zu erhalten und eine Trendwende im Artenrückgang zu erreichen.“
Auf europäischer Ebene regeln unter anderem die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) und die Vogelschutz-Richtlinie den Schutz von Arten. Die europäischen Regelungen werden im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) umgesetzt und konkretisiert. Vor allem die neuen Vorgaben zum Umgang mit geschützten Arten haben jetzt große Bedeutung für alle Bürgerinnen und Bürger sowie für die Land- und Forstwirtschaft.
Nach § 44 BNatSchG ist es verboten,
- wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören,
- wildlebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören, sowie
- Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören.“
Diese artenschutzrechtlichen Vorschriften betreffen sowohl den Schutz des einzelnen Tieres als auch den Schutz der Lebensstätten. Sie gelten für alle Arten der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) sowie für alle europäischen Vogelarten.
„Die biologische Vielfalt wird in erster Linie von der Vielfalt der Arten und ihrer Populationen geprägt. Der Erhalt der Artenvielfalt ist die zentrale Aufgabe des Naturschutzes“, unterstreicht Gertz. Er erklärt die Regelungen an einem exemplarischen Beispiel: „Vergrämungs- und Verscheuchungsmaßnahmen an Schwalbenkolonien, z.B. durch Lärmerzeugung und Fassadennetze, oder das Entfernen der Nester sind seit vielen Jahren verboten und stellen eine Ordnungswidrigkeit oder sogar einen Straftatbestand dar.“
Die strengen Artenschutzregelungen gelten flächendeckend – also überall dort, wo die betreffenden Arten oder ihre Fortpflanzungs- und Ruhestätten vorkommen. Diese so genannten Zugriffsverbote gelten daher auch im besiedelten Bereich. Die Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Mehl- und Rauchschwalben sind ganzjährig geschützt, also auch dann, wenn die Tiere selbst nicht anwesend sind.
Die Untere Naturschutzbehörde bittet daher dringend alle Eigentümerinnen und Eigentümer und Bewohnerinnen und Bewohner, die Tötungs-, Entnahme- und Störungsverbote zum Erhalt der biologischen Vielfalt zu beachten. Dies gilt nicht nur für die Schwalbennester im Winter, sondern auch z.B. für Fledermauswinterquartiere und Fledermauswochenstuben, die Nester von Graureiherkolonien, die Horststandorte von sämtlichen Greifvögeln, Schwarzstorchhorste und Mauerseglerniststätten.
„Das Töten und Verletzen von geschützten Tieren oder die Entfernung von geschützten Lebensstätten ohne gesonderte Genehmigung stellt nach dem Bundesnaturschutzgesetz eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer empfindlichen Geldbuße geahndet werden kann“, erläutert Michael Gertz.
Sanierungsarbeiten an Gebäudefassaden mit Schwalbennestern dürfen daher auch nur nach der Brutzeit ausgeführt werden, um die Schwalben nicht zu stören oder gar Jungvögel zu gefährden. Die optimale Zeit hierfür liegt zwischen Oktober und Februar. Hier ist es empfehlenswert, gleich ein Kotbrett etwa 50-70cm unterhalb der Schwalbennester anzubringen, um eine Verschmutzung der Hausfassade zu verhindern.
Für die Erteilung einer erforderlichen Ausnahmegenehmigung ist die Untere Naturschutzbehörde zuständig. Diese wird in jedem Fall individuell beraten und eine Lösung vorschlagen. Auf keinen Fall sollte man die Nester entfernen, bevor man sich an die Naturschutzbehörde wendet. Bei frühzeitiger Planung lassen sich meist einfache Lösungen finden, um den Schwalben trotz Sanierung auch im kommenden Sommer weiterhin Platz zu bieten.
Foto: Mehlschwalbe am geschützten Nest. © Michael Frede, Biologische Station Siegen-Wittgenstein