Germanistinnen an der Universität Siegen erforschen die Wahrnehmung und Bedeutung von Pflanzen in Literatur und Kultur

(wS/uni) Siegen 27.09.2023 | Das Interesse an unseren grünen Mit-Lebewesen floriert derzeit. Davon zeugen Ausstellungen wie „Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen“ im Kölner Museum Ludwig, sowie zahlreiche, teils populäre Veröffentlichungen zu Bäumen – etwa des bekannten Försters und Waldführers Peter Wohlleben. Auch in den Literatur- und Kulturwissenschaften ist das Thema mittlerweile angekommen. Projekte, Tagungen und Workshops sprießen – um im Bild zu bleiben – wie junge Pflänzlinge aus dem Boden.

„Der Forschungsbereich der Plant Studies hat sich in den letzten Jahren ziemlich ausgeweitet“, so die Siegener Germanistin Prof. Dr. Berbeli Wanning. Gemeinsam mit PD Dr. Urte Stobbe und Dr. Anke Kramer, die mittlerweile die Droste-Forschungsstelle des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe in Münster leitet, beschäftigt sie sich an der Universität Siegen mit literatur- und kulturwissenschaftlicher Pflanzenforschung. Im letzten Jahr haben die drei Germanistinnen mit „Literaturen und Kulturen des Vegetabilen. Plant Studies – Kulturwissenschaftliche Pflanzenforschung“ ein Grundlagenwerk herausgegeben, an dem etablierte Forscher*innen beteiligt waren. Einig sind sich die Forscherinnen darin, dass Pflanzen in der Literatur unterschiedlichster Genres nicht länger nur passives und stummes Beiwerk sind, dem maximal eine symbolische Funktion zugesprochen wird.
„Pflanzen spielen im Leben eine zentrale Rolle, wir Menschen sind in vielerlei Hinsicht abhängig von ihnen“, so Stobbe. „Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels muss sich etwas verändern in der Wahrnehmung von Pflanzen.“ Ziel ihrer Forschung sei auch, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie sich das Mensch-Natur-Verhältnis anders konzipieren lasse. Dabei spielt ebenso die Vermittlung des Themas bei Kindern und Jugendlichen eine große Rolle. „Das Pflanzenthema gewinnt in der Kinder- und Jugendliteratur an Bedeutung“ so Wanning. Als aktuelles Beispiel nennt sie den neuen Roman der bekannten Jugendbuchautorin Cornelia Funke „Das grüne Königreich“, das in Zusammenarbeit mit der Pflanzenexpertin Tammi Hartung entstanden ist. Die Handlung des Buches spielt in einer Pflanzenwelt, zu Beginn jedes Kapitels müssen die jungen Leser*innen eine Pflanze erraten. Wichtig ist Funke die Erkenntnis bei Kindern, dass die Welt nicht von Menschen gemacht ist. Die Kraft der Natur ist für sie Ausgangspunkt der Welterkundung.

„Literatur hat schon oft das Denken über bestimmte Themen beeinflusst. Man denke nur an die Diskussionen der letzten Jahre zum Thema Kernkraft, die von einer Generation geführt wurden, die beispielsweise durch Bücher wie Pausewangs ‚Die Wolke‘ geprägt wurde“, so Wanning. Sie ist sich sicher, dass Literatur es vermag, auch real Denk- und Verhaltensweisen zu verändern und hofft, dass auch die kulturelle Beschäftigung mit Pflanzen Einfluss auf das Verhältnis des Menschen zu Pflanzen und den Umgang mit den grünen Mit-Lebewesen haben wird.
Plant Studies werden auch weiterhin an der Uni Siegen präsent sein, z.B. bei „CultureNature Literacy“ – ein Ende 2022 gestartetes Erasmus+ Kooperationsprojekt, an dem Berbeli Wanning beteiligt ist. Ziel des Projektes ist es, für die Lehrkräftebildung ein Konzept von Anthropozänkompetenz und kultureller Nachhaltigkeit auszuarbeiten, das überdies einen klaren Praxisbezug hat. Ein CNL-Handbuch, in dem die Plant Studies vertreten sind, wird voraussichtlich im Oktober veröffentlicht. Es gibt die Leitlinien vor, zu denen im weiteren Verlauf des Projekts Lehrkräften, Lehrenden und Forschenden geeignete Lehr- und Lernmaterialien in Form von webbasierten Lernszenarios zur Verfügung gestellt werden, die kulturelle Nachhaltigkeit fördern. Das CultureNature Literacy-Konzept soll Lehrkräfte dazu befähigen, den Unsicherheiten des Klimawandels im Anthropozän, also dem Menschenzeitalter, faktenbasiert und lösungsorientiert zu begegnen.

Es wird über eine Laufzeit von drei Jahren von der Europäischen Kommission gefördert.

Foto: Uni Siegen

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