wS/si – Apollo Theater – Siegen. Dichterlesungen sind wunderbar, sofern der Autor wirklich etwas zu sagen hat und wenn nicht nur gelesen wird. Vier prominente Schriftsteller – Friedrich Schorlemmer, Navid Kermani, Hanns-Josef Ortheil und Peter Kurzeck – sind im April während der 2. Siegener Biennale im Apollo-Theater, Morleystraße 1, zu Gast – jeweils ab 19 Uhr. Zu jeder Lesung gehört auch ein Künstlergespräch.
Mit Peter Kurzeck startet die Reihe am Donnerstag, 12. April. Kurzeck, Jahrgang 1943, ist der geborene Erzähler, der sich immer wieder vom eigenen Text löst und frei fabuliert. Er liest aus seinem 2011 erschienenen Roman „Der Vorabend“ – und der ist ‚Heimatkunde’ im besten Sinn des Wortes, ganz frei von Tümelei. Die Geschichte verzweigt sich subtil ironisch in den spannungsreichen Niederungen von Provinz, Alltag und Familie, ohne gesellschaftliche und historische Dimensionen aus dem Blick zu verlieren.
Seit Ende der 90er Jahre treibt Kurzeck ein gewaltiges Prosa-Projekt voran, dessen programmatischer Rahmentitel „Das alte Jahrhundert“ seinen Anspruch verrät: einen poetischen Beitrag zum kulturellen Gedächtnis der Bundesrepublik zu liefern. Es ist ein auf zwölf Bände angelegtes Vorhaben, dessen Erzählraum in der (hessischen) Provinz angesiedelt ist. „Der Vorabend“ ist der fünfte Beitrag zu diesem Projekt.
Am Montag, 16. April, ist Friedrich Schorlemmer zu Gast. Sein Vortrag über Lessings „Nathan der Weise“ beginnt mit einer Rezitation: Der zweifache „Schauspieler des Jahres“ André Jung, trägt die berühmte „Ringparabel“ aus diesem Werk vor – und zwar am Abgrund, auf dem Schnürboden des Apollo-Theaters, 15 Meter über der Bühne. Ein Teil des Publikums kann durch das Bühnenhaus mit nach oben klettern, um die Rezitation vor Ort mitzuerleben. Für die anderen Zuschauer wird sie per Videokamera auf eine große Leinwand im Apollo-Saal übertragen.
Schorlemmers Thema lautet: „Nach Wahrheit suchen – Lessings Gedanken über Glaube, Vernunft und Toleranz“. Der evangelische Theologe, 1944 geboren, zählte zu den prominenten Bürgerrechtlern in der DDR. Aufsehen erregte Schorlemmer mit seiner symbolischen Umschmiedung eines Schwertes zu einer Pflugschar auf dem Kirchentag 1983 in Wittenberg. Der Theologe gehörte zu den Rednern auf der legendären Großdemonstration am 4. November 1989 in Ost-Berlin und zu den Unterzeichnern des Aufrufs „Für unser Land“ vom 26. November 1989. Schorlemmer ist Mitglied des deutschen PEN-Zentrums und gehört dem Netzwerk „attac“ an. Er ist Träger der Carl-von-Ossietzky-Medaille und es Friedenspreises des Deutschen Buchhandels.
Am Mittwoch, 18. April, liest Hanns-Josef Ortheil aus seinem Buch „Die Erfindung des Lebens“, in dem er seiner eigenen Geschichte nachspürt: Es geht um ein Kind, das erst mit sieben Jahren sprechen lernt; Musik und Dichtung helfen dem Jungen, zu sich selbst zu finden. Der 1951 in Köln geborene Schriftsteller ist einer der produktivsten Autoren seiner Generation. Er lebt in Wissen/Sieg und in Stuttgart, lehrt als Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim und hat dort das Institut für Literarisches Schreiben und Literaturwissenschaft begründet. Der zweifache Stipendiat der Villa Massimo in Rom wurde 2006 zum Honorarprofessor der Universität Heidelberg ernannt.
Ortheil wurde unter anderem mit dem Aspekte-Literaturpreis geehrt, dem Stuttgarter und dem Brandenburgischen Literaturpreis, dem Lübecker Thomas Mann-Preis und dem Georg K.-Glaser Preis des Landes Rheinland-Pfalz.
Navid Kermani, 1967 in Siegen geboren, hat Furore gemacht als brillanter Intellektueller, als Mittler zwischen Kulturen und Religionen sowie als Autor eines einzigartigen Romans, aus dem er am Sonntag, 22. April, liest. „Dein Name“ wurde in den Feuilletons aller großen Zeitungen hoch gelobt; das 1.200 Seiten starke Buch setze „neue Maßstäbe des autobiographischen Erzählens“, meinte beispielsweise Die Zeit .
Kermani wird ausgewählte Passagen lesen: über Geburt und Tod, einen Text über seine Großeltern sowie über sein – nicht immer einfaches – Verhältnis zur Geburtsstadt Siegen.
Der Autor wurde als viertes Kind iranischer Eltern geboren. Er studierte Orientalistik, Philosophie und Theaterwissenschaften in Köln, Kairo und Bonn. Kermani ist Mitglied der Hamburger Akademie der Wissenschaften, der Deutschen Islamkonferenz sowie der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Er wurde unter anderem mit dem Hessischen Kulturpreis (2009), mit der Buber-Rosenzweig-Medaille (2011) und dem Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken (2011) ausgezeichnet.
Die Gespräche mit den Schriftstellern leitet Prof. Dr. Ralf Schnell, vormals Rektor der Siegener Universität. Schnell hat Germanistik, Theaterwissenschaft, Philosophie und Publizistik studiert. Er lehrte in Hannover und Tokyo, war Gastprofessor in Ägypten und den Niederlanden, ehe er 1997 als Professor für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an die Universität Siegen kam. Er ist Mitherausgeber der 27-bändigen „Kölner Ausgabe“ der Werke Heinrich Bölls.
Karten (5,50 Euro) gibt es an der Apollo-Theaterkasse (Di-Fr. 13-19 Uhr, Sa. 10-14 Uhr sowie eine Stunde vor der Vorstellung) oder an den Vorverkaufsstellen.
Telefonische Kartenbestellung sind während der Theaterkasse-Öffnungszeiten möglich: 02 71 / 77 02 77-2.
Bildunterschrift: Friedrich Schorlemmer (c) JoachimLiebe
Bildunterschrift: Hanns-Josef Ortheil (c) radio bremen_Frank Pusch
Bildunterschrift: Navid Kermani (c) Lohmüller
Bildunterschrift: Peter Kurzeck (c) StroemfeldVerlag
Anzeige – Bitte beachten Sie auch die Angebote unserer Werbepartner
[adrotate group=“3″]