Wie moderne Medizin beim Frühstart ins Leben hilft

(wS/dia) Siegen 30.04.2024 | Diakonie Klinikum Jung-Stilling: 80 Teilnehmer bei Fortbildung der Geburtshilfe und Pränatalmedizin

Siegen. Ist der Gebärmutterhals verkürzt, bestehen vorzeitige Wehen oder Infektionen, steigt das Risiko für eine Frühgeburt. Um noch stärker für die Schwächsten da zu sein, nahmen 80 Gäste an der Fachfortbildung „Prävention und Therapie der Frühgeburt“ teil, zu der die Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin des Diakonie Klinikums Jung-Stilling in Siegen eingeladen hatte. Im Haus der Siegerländer Wirtschaft informierten sich niedergelassene und klinische Frauenärzte, Kinderärzte, Hebammen und Pflegekräfte zu neuesten medizinischen Entwicklungen, angereichert mit Fallbeispielen aus dem klinischen Alltag.

Eine Schwangerschaft dauert 40 Wochen. Kommt ein Baby vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche zur Welt, ist es ein „Frühchen“. In Deutschland betroffen sind rund acht Prozent der Neugeborenen. Frühgeborene müssen intensivmedizinisch auf einer Früh- und Neugeborenen-Intensivstation behandelt werden. Eine solche ist Bestandteil des Perinatalzentrums Level I, das im Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus von der DRK-Kinderklinik Siegen betrieben und in Kooperation mit der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin im „Stilling“ geführt wird. „Ich freue mich, dass wir heute zusammengekommen sind, um gemeinsam zu praxisrelevanten Themen in den Austausch zu gehen“, begrüßte Organisatorin Dr. Flutura Dede, Chefärztin der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin im Siegener Diakonie Klinikum, die Gäste und Redner.

Zu einer der Hauptursachen für Frühgeburten zählt die bakterielle Vaginose. Das ist eine Infektion der Vaginalregion, bei der sich Bakterien in der Gebärmutter ansiedeln. Im Hinblick auf eine Therapie stellte Professor Dr. Richard Berger, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Marienhaus Klinikum St. Elisabeth Neuwied, neueste Studien vor: „Tritt eine bakterielle Vaginose in der Schwangerschaft ohne Symptome wie Juckreiz oder Brennen auf, sollte sie nicht mit Antibiotika behandelt werden.“ Der Experte betonte, dass sonst die normale Vaginal-Flora zerstört und das Wachstum von therapieresistenten Keimen gefördert werden kann – was wiederum eine Infektion beim ungeborenen Kind auslösen könne. Als weiteres Anzeichen für eine drohende Frühgeburt gilt ein verkürzter Gebärmutterhals. Berger: „Ist dieser mit einer Länge von unter 25 Millimetern nachgewiesen, so ist die Gabe von vaginalem Progesteron zu empfehlen.“ Als nicht-medikamentöse Frühgeburt-Prävention riet Berger zur Einlage einer Cerclage. Das ist eine Gebärmutterhalsumschlingung, die verhindern soll, dass sich der Muttermund zu früh oder weiter öffnet.

Kommt ein Kind vor der 24. Schwangerschaftswoche zur Welt, gilt es als extremes „Frühchen“. Rechtlich entscheiden die Eltern bei diesen Kindern, ob eine ärztliche, intensivmedizinische Behandlung erfolgen soll, erläuterte Marcus Linke, Oberarzt der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin der DRK-Kinderklinik in Siegen. „Wir müssen die Mütter und Väter umfassend aufklären in einer Phase, in der sie emotionalem Stress ausgesetzt sind – und dabei dürfen wir nichts schönreden.“ Das Risiko für spätere dauerhafte körperliche und geistige Beeinträchtigungen ist bei diesen Kindern hoch. Linke nannte potenzielle Probleme, zu denen beispielsweise Atembeschwerden und neurologische Schädigungen zählen. „Häufig ist in den Familien zudem externe Hilfe im Sinne einer Pflegekraft für zu Hause nötig“, so Linke. Wird ein Kind in der 24. Schwangerschaftswoche oder darüber hinaus geboren, ist es im Hinblick auf das Lebensrecht mit Kindern jeden Alters gleichzusetzen. Ärzte haben dann den rechtlichen und ethischen Geboten zur Lebenserhaltung Folge zu leisten.

Chefärztin Dr. Flutura Dede präsentierte zahlreiche Fallbeispiele aus dem klinischen Alltag im Ev. Jung-Stilling-Krankenhaus aus dem Themenbereich Frühgeburt. Dabei stellte sie verschiedene leitlinienorientierte Behandlungsstrategien des Teams vor. Unter anderem ging es um eine Patientin, die Ende der 23. Schwangerschaftswoche aufgrund einer fetalen Wachstumsrestriktion (Mangelversorgung) im Siegener Diakonie Klinikum aufgenommen wurde. Als Maßnahme verabreichte das Team Medikamente zur Lungenreife des Kindes und führte engmaschige Untersuchungen per Kardiotokografie, Wachstums- und Dopplerkontrolle durch. „Über einen Zeitraum von zweieinhalb Wochen konnte die Schwangerschaft unter intensiven Kontrollen verlängert werden“, so Dede. Innerhalb der 26. Schwangerschaftswoche wurde aufgrund von veränderten Befunden beschlossen, das Kind auf die Welt zu holen. Es hatte ein Geburtsgewicht von 375 Gramm und wurde im angegliederten Perinatalzentrum erstversorgt. Dede: „Es zeigte sich ein guter Verlauf. Nach zwei Monaten betrug das Gewicht des Kindes 1700 Gramm.“

Teilten ihr klinisches Wissen mit 80 Teilnehmern bei der Fachfortbildung „Prävention und Therapie der Frühgeburt“ (von links): Prof. Dr. Richard Berger, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Marienhaus Klinikum St. Elisabeth Neuwied, Dr. Flutura Dede, Chefärztin der Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin im Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen, und Marcus Linke, Oberarzt der Neonatologie und pädiatrischen Intensivmedizin der DRK-Kinderklinik in Siegen.

.
AnzeigeGünstig Werbung schalten auf wirSiegen.de – Infos hier

Ihnen gefällt unsere Berichterstattung und Sie möchten wirSiegen.de unterstützen? Dann klicken Sie bitte HIER.

Wir freuen uns sehr, vielen Dank!

[plista widgetname=plista_widget_slide]