wS/si – Universität Siegen – 16.01.2013 — Die Universität Siegen ist mit der wissenschaftlichen Begleitung des Projektes betraut — Nach dreijähriger Forschungsarbeit hat das Umweltministerium des Landes Nordrhein-Westfalen nun die Genehmigung erteilt, eine Herde von derzeit acht Wisenten im Privatwald des Fürstenhauses zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg freizusetzen. Die Tiere werden sich voraussichtlich ab dem Frühjahr 2013 frei in den Wittgensteiner Wäldern bewegen können. Diese Herde wird somit seit über 150 Jahren die erste wild lebende Rinderherde Deutschlands sein.
Im Wittgensteiner Land wurden seit Jahren Anstrengungen unternommen, den Weg zur Wiederansiedlung der Tiere frei zu machen. Eine Vorstudie stellte die generelle Eignung des Gebietes sowie den Grad der Akzeptanz in der Bevölkerung fest. 2010 startete das E + E-Vorhaben mit der wissenschaftlichen Begleitforschung von drei Universitäten, der Biologischen Station Siegen-Wittgenstein sowie einem Gutachterbüro. Prof. Dr. Klaudia Witte, Biologie, Fakultät IV der Universität Siegen, koordiniert die Begleitforschung. Die Universität ist dabei mit zwei Promotions- und mehreren Abschlussarbeiten involviert. Der Bereich Sozioökonomie wird von Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein, Lehrstuhl für Marketing, Fakultät III, und von Kim-Kathrin Kunze, Doktorandin, abgedeckt. Philip Schmitz, Doktorand aus der Fachgruppe Ökologie und Verhaltensbiologie bearbeitet unter Leitung von Prof. Dr. Klaudia Witte sämtliche verhaltensbiologischen und einige ökologischen Aspekte im E + E-Projekt.
Dies ist ein einmaliges Artenschutz-Projekt in Westeuropa mit internationaler Sichtbarkeit. Der World Wide Fund for Nature (WWF) hat kürzlich das Projekt besucht und betrachtet es als „wegweisenden Schritt für den Naturschutz in Deutschland“. Das Projekt wird Vorbildcharakter haben und gewissermaßen als Pilotstudie für andere ähnliche Projekte in dicht besiedelten Regionen dienen. So werden bereits in Dänemark Anstrengungen unternommen, ebenfalls Wisente freizusetzen.
Zwischen dem Trägerverein des Projektes und dem Umweltministerium des Landes NRW wurde im Vorfeld ein Katalog erarbeitet, der sämtliche Fragestellungen umfasst, die bis zu einer Freisetzung der Wisente beantwortet sein mussten. Nach dreijähriger Forschung konnte dieser Fragenkatalog im Herbst 2012 abgeschlossen werden und das Ministerium genehmigte die Freisetzung der Wisente auf der Grundlage der geleisteten Studien. Jedoch ist die wissenschaftliche Arbeit an dieser Stelle nicht beendet, denn die Tiere sollen weiterhin untersucht werden, Verhaltensänderungen frühzeitig erkannt und auch die Erweiterung ihres Areals intensiv verfolgt werden. Ebenso soll die sozioökonomische Begleitforschung weiter fortgeführt werden.
Die Wisente (wieder) als Wildart zu etablieren wird vielfältige positive Folgen für das Ökosystem haben. So besetzen die Tiere die seit Jahrhunderten vakante Position des großen Gras- und Raufutterfressers. In ihrem Kot können sich eine Vielzahl an koprophagen Wirbellosen entwickeln, von denen einige einerseits selbst auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen und andererseits Nahrungsgrundlage für bedrohte Insektenfresser sind. Durch Tritt und Beweidung schaffen die Tiere offene Flächen in ansonsten geschlossenen Vegetationsdecken, die essenziell für manche Konkurrenz schwache (und daher heutzutage seltenen) Pflanzen sind. Weiter bewahren sie kleinräumig bedrohte Wiesenbereiche vor Verbuschung. Darüber hinaus verspricht man sich natürlich auch eine Attraktivitätssteigerung der ganzen Region für Naturliebhaber, Tierfreunde, Wanderer oder Tierfotografen. Dass von diesen Tieren eine Faszination ausgeht, beweist der bisherige Erfolg des kürzlich eröffneten Geheges „Wisent-Wildnis am Rothaarsteig“.
Die Tiere im Wittgensteiner Wald sollen zunächst auf eine Gruppengröße von 25 Individuen anwachsen. Die Herde soll weiterhin unter menschlicher Obhut verbleiben und einen gemanagten Bestand bilden. Ähnliche Systeme sind auch für andere große Wildarten (Hirsche, Mufflon) etabliert. Gefördert wird das Projekt mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen und durch das Bundesamt für Naturschutz.
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