Zwei Verfassungen unter der Lupe

Prof. Dr. Daniel Stein von der Universität Siegen hielt im Rahmen der Veranstaltung „Eine Uni – ein Buch“ einen Vortrag über das deutsche Grundgesetz und die amerikanische Verfassung.

(wS/red) Siegen 31.07.2017 | Die Demokratie, in der wir leben, ist für viele von uns selbstverständlich. Wie schnell eine solche außer Kraft gesetzt werden kann, lernen Schüler schon im Geschichtsunterricht. Aber wie sieht die Lage in unserer heutigen Zeit und in Anbetracht der aktuellen politischen Ereignisse, insbesondere in Amerika, aus?

Mit diesen Fragen beschäftigte sich Amerikanistik-Professor Dr. Daniel Stein am Donnerstagabend im Rahmen der Reihe „Eine Uni – ein Buch | Die Uni Siegen – das Grundgesetz“. Unter dem Titel „Verfassung im Stresstest: die US-amerikanische Verfassung, das deutsche Grundgesetz und die Frage nach der Wehrhaftigkeit westlicher Demokratien gegen die Populismen unserer Zeit“ hielt der USA-Experte einen Vortrag über die drohende Verfassungskrise in den USA und die aktuellen Ereignisse in Deutschland und Europa.

US-Experte Prof. Dr. Daniel Stein meint: „Eine Figur wie Trump kann man sich schwer als Kanzler vorstellen.“ (Foto: Uni)

Stein gab den ZuhörerInnen Einblicke in die Entstehungsgeschichte der deutschen und der amerikanischen Verfassung. Das Volk sei schon 100 Jahre lang Bestandteil der amerikanischen Verfassung gewesen, bevor dieses in der deutschen zum ersten Mal erwähnt wurde. Das Verfassungsverständnis der US-Amerikaner habe tatsächlich Einfluss auf das deutsche Grundgesetz gehabt.

Bis heute gäbe es einige Unterschiede zwischen der deutschen und der amerikanischen Verfassung, erklärte Stein. „Das amerikanische Regierungssystem ist ein präsidentielles, das deutsche ein parlamentarisches. Es gibt in beiden Staaten eine Gewaltenteilung, das Institutionenarrangement ist aber ein anderes. Die Gewaltenteilung in Amerika ist dabei stärker, es gibt beispielsweise eine striktere Trennung zwischen Exekutive und Legislative“. Während der Bundespräsident in Deutschland als Staatsoberhaupt und die Bundeskanzlerin als Regierungschefin fungiert, ist der amerikanische Präsident in den USA beides in einer Person.

„An einigen Punkten kann man sehen, dass die amerikanische Gewaltenteilung noch zu funktionieren scheint“, beschrieb Amerikanistik-Professor Stein seine Ansicht zur aktuellen Lage. So konnte Trump ‚Obamacare‘ bisher nicht abschaffen, obwohl er das sofort nach seinem Amtsantritt wollte. Auch gegen das von ihm verhängte Einreiseverbot und seine ‚Klimawandelpolitik‘ gibt es Gegeninitiativen.

In Deutschland sehe die Situation anders aus. Bei uns sei der Populismus noch nicht in den Gewalten angekommen. Wir hätten außerdem einige Mittel gegen eine Abschaffung unserer Demokratie. Unter anderem könnten Parteien und sonstige Vereinigungen verboten werden und Angehörige des öffentlichen Dienstes seien zur Verfassungstreue verpflichtet. „Eine Figur wie Trump kann man sich schwer als Kanzler vorstellen“, sagte Stein. Falls es trotzdem dazu käme, hätte dieser in Deutschland mit Einschränkungen zu rechnen: „Der Bundespräsident hat ein Vetorecht, das ihm die Chance gibt, undemokratische Gesetze zu verhindern. Außerdem hat eine große Koalition oder eine Mehrheitspartei in Deutschland insgesamt mehr Macht, als ein Präsident in den USA“.
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