Ermittlungen gegen Sicherheitsbedienstete im Zusammenhang mit der Notaufnahmeeinrichtung Burbach

(wS/ots) Siegen/Burbach – Die Staatsanwaltschaft Siegen hat heute eine Presseerklärung zum derzeitigen Stand der Ermittlungen gegen Sicherheitsbedienstete, unter anderem im Zusammenhang mit dem Betrieb der Notaufnahmeeinrichtung (NAE) in Burbach, veröffentlicht.

Zur Erinnerung: Die Einrichtung hat eine Aufnahmefähigkeit von 600 Personen. Die Betriebsleitung lag bei der Fa. European Homecare (EHC) in Essen. Am 07.10.2014 wurde die Betriebsleitung durch einen Übernahmevertrag von der Fa. EHC auf das Deutsche Rote Kreuz übertragen.

Archivbild: Hercher

Archivbild: Hercher

Ausgangspunkt für die Ermittlungen

FluchtunterkunftMisshandlungen

Screenshot aus dem Misshandlungsvideo

Am 26.09.2014 überreichte ein Journalist der Polizei in Siegen-Wittgenstein einen Datenträger mit einer Filmaufnahme von 27 Sekunden. In der Filmaufnahme war zu erkennen, wie ein Mann neben einer Matratze auf dem Boden saß. Die Matratze sowie die Hose des Mannes waren offensichtlich mit Erbrochenem verdreckt. Im Hintergrund waren zwei Männerstimmen zu hören, welche den Mann aufforderten, sich hinzulegen und zu schlafen. Bei den Männern im Hintergrund handelte es sich um einen Sicherheitsdienstmitarbeiter der NAE Burbach. Unter Tränen fragte der Mann mehrfach, warum man ihn schlage. Es war lediglich der Mann auf dem Film zu sehen. Schläge gegen ihn waren nicht aufgenommen. Das Video war nach Angaben des Journalisten in einem „Arrestraum“ der Unterbringungseinrichtung in Burbach aufgenommen worden.

wirSiegen.de berichtete am 28.September 2014:

Bisheriger Ablauf und Stand der Ermittlungen

2014-08-15_Burbach_Polizeieinsatz_Siegerlandkaserne_Fluechtlinge_5

Mitarbeiter des ehemaligen Sicherheitspersonals der Notaufnahmeeinrichtung Burbach. (Archivbild: Hercher)

Zur Durchführung der Ermittlungen in dem bei der Staatsanwaltschaft Siegen daraufhin eingeleiteten Verfahren wegen Freiheitsberaubung u. a. wurde bei der für die Kreispolizeibehörde (KPB) Siegen-Wittgenstein zuständigen Kriminalinspektion Staatsschutz des Polizeipräsidiums (PP) Hagen am 26.09.2014 eine Ermittlungskommission (EK), spätere Bezeichnung EK „Heim“, eingesetzt und noch am selben Tag eine Durchsuchung bei den in der Unterbringungseinrichtung eingesetzten Sicherheitsbediensteten durchgeführt. Auf dem Mobiltelefon eines Sicherheitsbediensteten wurde eine Fotografie gesichert, die einen gefesselten Mann in Bauchlage zeigt, hinter dem zwei Sicherheitsbedienstete posieren. Einer der Sicherheitsbediensteten hat dabei seinen Fuß auf den Nacken des Mannes gesetzt.

Zunächst sind gegen drei Sicherheitsbedienstete Strafermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung sowie zwei Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz eingeleitet worden. Die drei Sicherheitsbediensteten sind noch am 26.09.2014 von der Polizei aus der Unterbringungseinrichtung verwiesen worden. Die Liegenschaft ist in der Nacht zum 27.09.2014 von den verbliebenen Sicherheitsbediensteten, unterstützt von Beamten der Polizei Siegen-Wittgenstein, gesichert worden.

2014-10-13_Burbach_Eisenkaute_Tumulte_DRK_Kaserne_Foto_Hercher_1

Tumulte in der Notaufnahmeeinrichtung: Archivbild vom 13.10.2014 (Foto: Hercher)

Im Rahmen der ersten Maßnahmen zur Aufklärung der Sachverhalte in der NAE Burbach sind durch die Polizei zahlreiche Bewohner der Einrichtung befragt und diejenigen, die Angaben zur Sache machen konnten, vernommen worden. In der Folge sind Beschuldigte (vornehmlich Wachdienstbeschäftigte und Sozialbetreuer) sowie weitere Zeugen vernommen worden. Im Rahmen der Vernehmungen und erster Einsichtnahmen von Asservaten wie dem „Problemfallordner“ bzw. verschiedenen Wachbüchern haben sich Hinweise auf eine Vielzahl weiterer – gegebenenfalls strafrechtlich relevanter – Sachverhalte ergeben.

Ein auf dem Mobiltelefon eines Mitarbeiters der ehemaligen Sichherheitsfirma beschlagnahmtes Foto. (Foto: Polizei)

Das Foto einer Misshandlung wurde von der Polizei auf dem Mobiltelefon eines Mitarbeiters der ehemaligen Sichherheitsfirma entdeckt. (Foto: Polizei)

Im Zuge der Ermittlungen ist bekannt geworden, dass in der Unterkunft einige Räume „Problemzimmer“ genannt wurden. In diesen wurden offenbar Bewohner der NAE untergebracht, wenn es zu „Problemen“ kam (wie etwa Verstöße gegen die Hausordnung, Sachbeschädigungen, Körperverletzungen oder die Sicherung von Personen bis zum Eintreffen von Polizeikräften etc.) Aus Vernehmungen ergibt sich auch die Nutzung als „Schutzraum“ für gefährdete Personen nach familiären oder kulturell bedingten Streitigkeiten. Die Belegung und Betreuung der Räumlichkeiten erfolgte in einem noch zu klärenden Zusammenwirken von Mitarbeitern der Firma EHC sowie Wachdienstbeschäftigten. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Siegen und der EK „Heim“ richten sich daher nicht nur gegen Wachdienstbeschäftigte, sondern auch gegen den ehemaligen Heimleiter der NAE und dort von der Fa. EHC eingesetzte Sozialbetreuer. Darüber hinaus richten sich die Ermittlungen auch gegen den Geschäftsführer der Fa. EHC und weitere bei der Fa. EHC für die NAE Burbach verantwortliche Bedienstete, da Anhaltspunkte dafür bestehen, dass auch der Geschäftsleitung der Fa. EHC die Einrichtung und Nutzung der „Problemzimmer“ jedenfalls bekannt gewesen ist.
Wachdienstbeschäftigte haben ausgesagt, einigen in der NAE im Rahmen von Einsätzen anwesenden (namentlich nicht genannten) Polizeibeamten sei zumindest die Existenz eines „Problemzimmers“ bekannt gewesen. Vor diesem Hintergrund sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Siegen und der EK „Heim“ auch auf den Tatvorwurf der Freiheitsberaubung im Amt durch (bisher unbekannte) Polizeibeamte erstreckt worden.

2014-10-13_Burbach_Eisenkaute_Tumulte_DRK_Kaserne_Foto_Hercher_4

Am 07.10.2014 wurde die Betriebsleitung der Notaufnahmeeinrichtung durch einen Übernahmevertrag von der Fa. EHC auf das Deutsche Rote Kreuz übertragen. (Archivbild: Hercher)

Neben dem Komplex „Problemzimmer“ richten sich die Ermittlungen vor allem auf Vorwürfe der Körperverletzung, die Bewohner der Einrichtung gegen ehemalige Wachdienstbeschäftigte erhoben haben. Im Zuge der Ermittlungen werden dabei auch alle Verfahren nochmals in den Blick genommen, in denen vormals (allein) Wachdienstbeschäftigte Körperverletzungsvorwürfe gegen Bewohner der Einrichtung erhoben hatten.

Aktuell wird in rd. 200 „Sachverhaltsspuren“ Hinweisen nachgegangen, bei denen eine strafrechtliche Relevanz bestehen könnte. Neben der Auswertung zahl- und umfangreicher Asservate schließt dies vor allem die Durchführung von Vernehmungen von Beschuldigten, Geschädigten und Zeugen ein. Derzeit sind etwas mehr als 30 Personen als Beschuldigte erfasst.

Die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei in diesem Verfahren werden noch geraume Zeit in Anspruch nehmen.

.
Anzeige/WerbungJetzt clever werben bei wirSiegen.de – Infos hier
[adrotate group=“3″] .

[plista widgetname=plista_widget_slide]